Strafe ohne Gefängnis
Von Julieta Daza, Caracas
In Kolumbien sind diese Woche die beiden ersten Urteile des Sondergerichts für den Frieden (JEP) gefallen. Zwölf ehemalige Militärs wurden am Donnerstag zu einer höchstmöglichen Strafe im Rahmen des JEP von acht Jahren verurteilt. Ihnen wurden sogenannte Falsos Positivos zur Last gelegt. Bei dieser Praktik begingen Militärs systematisch Morde an Zivilisten und ließen diese gewaltsam verschwinden, um sie als bei Gefechten gefallene Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppen auszugeben, was als militärischer Erfolg präsentiert wurde.
Laut dem JEP sollen sie zwischen 2002 und 2005 für den Tod, und in einigen Fällen das gewaltsame Verschwindenlassen, von mindestens 135 Zivilisten verantwortlich gewesen sein. Die Verurteilten müssen nun an sechs Entschädigungsprojekten mitarbeiten, die unter Beteiligung Betroffener entwickelt wurden. Zudem sieht die Strafe Einschränkungen der Bewegungsfreiheit vor. Das Sondertribunal entschied sich für die Strafmaßnahmen, die dem Ansatz der Wiederherstellung von Gerechtigkeit folgen, weil die Verurteilten umfassend ausgesagt und ihre Verantwortung anerkannt hatten.
Am Dienstag hatte das JEP sein erstes Urteil gefällt. In diesem Fall ging es um die von der heute aufgelösten Guerillaorganisation FARC-EP begangenen Entführungen. Laut Gericht hatten diese folgenden Zweck: »die Finanzierung ihrer bewaffneten Organisation, die Ausübung von Druck auf den kolumbianischen Staat, um Gefangenenaustausche oder die Ausübung sozialer und territorialer Kontrolle zu erreichen«. Auch die sieben ehemaligen Mitglieder der Führung der Guerilla wurden zur achtjährigen Höchststrafe mit Einschränkung der Bewegungsfreiheit verurteilt. Dem JEP zufolge waren sie zwischen 1993 und 2012 verantwortlich für Entführungsverbrechen, denen in diesem Zeitraum insgesamt über 21.000 Menschen zum Opfer gefallen seien. Die Projekte, an denen die FARC-Führung mitarbeiten soll, umfassen die Suche nach vermissten Personen, Minenbekämpfung, Aktionen zum Umweltschutz sowie symbolische Wiedergutmachung.
William Acosta, der als Anwalt Personen vor dem JEP berät und vertritt, sieht darin ein »historisches Urteil«, besonders »im Kontext der vom bewaffneten Konflikt und der Gewalt geprägten Geschichte Kolumbiens«. Der Prozess folge nicht nur nationalen und internationalen Vorschriften, sondern halte sich zudem an das Friedensabkommen von 2016. »Die Entscheidung wurde nach jahrelangen Ermittlungen zum Phänomen der Entführung getroffen, die Strafe dient der Wiedergutmachung. Die ehemaligen Kommandanten des letzten FARC-Sekretariats haben ihre Verantwortung im Namen der gesamten Guerilla auf nationaler Ebene anerkannt«, so Acosta gegenüber jW. Er betonte auch die jahrelange Beteiligung der Opfer sowie mehrerer Institutionen bei der Festlegung der Strafmaßnahmen. »Was die Frage angeht, ob die Wiederherstellung von Gerechtigkeit damit erfüllt wird, bin ich der Meinung, dass die Projekte und Entschädigungsmaßnahmen dazu beitragen«, erklärt Acosta. Doch es gebe auch Kritik an den Urteilen des JEP: Nicht alles, was dieses aktuell entscheide, sei auch so im Friedensabkommen von 2016 vereinbart worden.
Das JEP wurde zwischen 2012 und 2016 im Rahmen des Friedensdialogs zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP als Sondergerichtsbarkeit für den Frieden ausgehandelt. Sie dient der Aufklärung und Ahndung schwerer Menschenrechtsverletzungen in dem bewaffneten Konflikt, soll Opfer entschädigen und verhindern, dass er sich wiederholt.
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