Zuarbeit für Netanjahu
Von Henning von Stoltzenberg
Die Unionsfraktion im Bundestag hat eine geplante Zahlung des Bundesentwicklungsministeriums an die Palästinensische Autonomiebehörde kurzfristig gestoppt. Zur Begründung verweist die Union auf angeblichen Klärungsbedarf, was diese Mittel betreffe. In diesem Sinne äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann am Freitag gegenüber Bild. »Humanitäre Hilfe ist wichtig, aber es muss klar sein, in welche konkreten Projekte die Gelder fließen – und zwar bevor diese Mittel bewilligt werden«, so Hoffmann. Projekte, die »Israels Sicherheit« gefährden, müssten klar ausgeschlossen sein. Das Manöver dürfte bei der israelischen Regierung, die die finanzielle Austrocknung der Autonomiebehörde zuletzt forciert hat, für Entzücken sorgen.
Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD), die im August im Westjordanland war, hatte der von Mahmud Abbas geführten Autonomiebehörde in Ramallah finanzielle Hilfen in Höhe von 30 Millionen Euro zugesagt, um die durch israelische Maßnahmen verursachten Einnahmeausfälle zum Teil zu kompensieren. Das Geld sollte über einen Mechanismus der EU ausgezahlt und für die Zahlung von Gehältern im Gesundheits- und Bildungsbereich im Westjordanland eingesetzt werden, hieß es aus der Koalition. Dafür hatte sie sich laut Bild auch das Einverständnis von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eingeholt. Ablehnend hätten sich dann vor allem Haushaltspolitiker der Union gezeigt.
SPD-Außenpolitikerin Derya Türk-Nachbaur sprach sich am Freitag für die Auszahlung der Mittel aus. »Diese Hilfen sind zugesagt worden, und ich finde, die sind auch unbedingt nötig, wenn sie die humanitäre Katastrophe in den palästinensischen Gebieten sehen«, sagte Türk-Nachbaur gegenüber RTL/N-TV. Auch sie verwies auf die Unterstützung von Merz und Klingbeil sowie die von Außenminister Johann Wadephul (CDU). Diese Zusagen seien ohnehin an Bedingungen gebunden. Die Hamas dürfe auf keinen Fall eine Rolle spielen in den palästinensischen Gebieten, erklärte die SPD-Abgeordnete. Türk-Nachbaur betonte, dass die Koalitionspartner das Thema in Gesprächen klären würden. Es gebe darüber in der Koalition »keinen Krach«, sondern lediglich »Diskussionsbedarf«, und dies sei »absolut in Ordnung«.
Ausweichend äußerte sich die Fraktionsspitze von Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema. Die Kofraktionsvorsitzende Katharina Dröge erklärte am Freitag auf die Frage, ob die Grünen die von der Entwicklungsministerin vorgeschlagene finanzielle Hilfe für die palästinensische Autonomiebehörde unterstützen: »Es gibt momentan keine klare Haltung und Position in der Bundesregierung, und das ist aus meiner Sicht ein großes Problem.« Auch CDU und CSU hätten hier unterschiedliche Sichtweisen. Die Situation im Gazastreifen sei katastrophal, die Menschen würden verhungern. Die medizinische Versorgung sei nicht mehr gewährleistet. Die Grünen hätten schon lange gefordert, dass keine Waffen, die in Gaza eingesetzt werden könnten, mehr an Israel geliefert werden.
Die sofortige Auszahlung der finanziellen Hilfen für den Gazastreifen forderte derweil der Linke-Bundestagsabgeordnete Sascha H. Wagner, Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages, gegenüber dieser Zeitung. »Es ist wirklich perfide von der Unionsfraktion, die geplanten finanziellen Hilfen an die palästinensische Autonomiebehörde zu blockieren. Den notleidenden Menschen muss jetzt geholfen werden, nicht nachdem es zu spät ist«, sagte Wagner.
Die im Westjordanland ansässige Autonomiebehörde leidet derzeit unter akuter Geldnot. Regierungskreise wiesen auch gegenüber Bild darauf hin, dass die israelische Regierung die Steuerzahlungen der Palästinenser im besetzten Westjordanland nicht mehr an die Autonomiebehörde auszahlt. Die Folge sei, dass die palästinensische Behörde kurz vor dem Zusammenbruch stehe. Auch eine Sprecherin des Entwicklungsministeriums sprach am Freitag von einer »akuten finanziellen Notlage« der Autonomiebehörde. Der stellvertretende Regierungssprecher, Sebastian Hille, sagte zu dem Vorgang: »Wir warten jetzt ab, was da im Bundestag läuft.«
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