Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz
Gegründet 1947 Sa. / So., 20. / 21. September 2025, Nr. 219
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz
Tickets für die Rosa-Luxemburg-Konferenz
Aus: Ausgabe vom 20.09.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Exposing Zalando

Achtung: Betriebsräson!

Onlinehändler Zalando geht gegen palästinasolidarische Äußerungen seiner Beschäftigten vor. Diese berichten von Überwachung und Einschüchterung
Von Niki Uhlmann
3.jpg
Räson in Aktion: Polizisten nehmen einen Demonstranten vor der Zalando-Zentrale in Berlin fest (10.9.2025)

Warum kann man beim Onlinehändler Zalando keine Kufija kaufen? Traditionelle Trachten gibt es zuhauf. Geworben wird unter anderem mit Frauen im Hidschab. Ein taktischer Verzicht auf kulturell sensible Symbolik ist also nicht der Grund. Vielmehr pflegt der Modegigant das Image eines diversen, inklusiven, eben anknüpfungsfähigen Konzerns. Angesichts des jüngsten Protests gegen die innerbetriebliche Repression der Palästina-Solidarität erscheint es allerdings eher so, dass Zalando sein ganzes Geschäft, darunter sein Angebot, der Staatsräson unterwirft.

Entzündet hatte sich der Konflikt an zwei Stellungnahmen im internen Portal von Zalando. Im Nachgang der Angriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 und der militärischen Erwiderung Israels sollen sich Vorstand und Betriebsrat Aktivisten der Kampagne Exposing Zalando zufolge sehr einseitig auf die Seite Israels geschlagen haben. Die Belegschaft habe allerhand erzürnte Kommentare verfasst, von denen viele jedoch wieder gelöscht worden seien, bis man die Kommentarfunktion schließlich gänzlich deaktiviert habe. Die Stimmung sei aber vergiftet geblieben.

Anonymisierte Berichte von Beschäftigten, die jW vorliegen, zeichnen das Bild eines Betriebs, der daraufhin seine Angestellten durchleuchtet, dissidente Standpunkte sanktioniert und dabei die Rechte dieser Beschäftigten verletzt. So seien mehrere Beschäftigte auf private Beiträge in sozialen Medien angesprochen worden, die Israels genozidalen Krieg gegen Palästina beleuchten. Vorgeworfen habe man ihnen, gegen bis dato nicht bekannte Richtlinien zu verstoßen und andere Kollegen zu verunsichern. Auf Nachfrage, wo und wie genau derlei geregelt würde, was bei vermeintlichen Verstößen ferner zu erwarten sei, wäre nichts konkretisiert, aber mit »schwerwiegenden Konsequenzen« gedroht worden. Getroffen habe es etwa muslimische Beschäftigte in den Lagerhäusern, denen die Anpassung ihrer Pausenzeiten und damit das Praktizieren ihrer Religion erschwert worden sei.

Nachdem Beschäftigte sich an die Führungskräfte der Employee Resource Groups – laut Zalando »freiwillig von und für Mitarbeiter organisierte Gruppen« – sowie das für Diversität und Inklusion zuständige Team gewendet hatten, sei mit der Compliance-Abteilung erörtert worden, dass weder für private Äußerungen von Beschäftigten, noch für das Monitoring derselben Richtlinien vorlägen. Dennoch sei die Belegschaft weiter eingeschüchtert worden. Die Schilderungen erinnern an den »Zonar«-Skandal 2019. »Zonar« war ein internes Bewertungssystem, mit dem Beschäftigte einander beurteilen sollten und das dann bei Entscheidungen über Beförderungen und Gehälter herangezogen wurde. Bei Zalando hatte es zu einem Klima der Angst und zu gestiegener Stressbelastung geführt.

Verlassen könne sich die Belegschaft auf die Inklusionsgremien, die Personalabteilung und den Betriebsrat aber nicht, schildert ein ehemaliger Beschäftigter, der anonym bleiben möchte, gegenüber jW: »Selbst Mitarbeiter, deren Aufgabe es ist, Menschen vor Diskriminierung zu schützen, sind durch die Atmosphäre der Angst gelähmt.« Die Personalabteilung habe bei der Repression der Palästina-Solidarität sogar als verlängerter Arm der Geschäftsführung fungiert und sich an der Einschüchterung beteiligt. Dort sei ihm sogar vorgeworfen worden, sich der Diskriminierung wegen an die Compliance-Abteilung gewendet zu haben, die zwecks Kündigung allerdings eine Falschbehauptung der Personaler gedeckt haben soll. Letztere seien wiederum überproportional im Betriebsrat vertreten. Die Repression scheint ein geschlossenes System zu sein.

Migranten, die Zalando seinem Image entsprechend tatsächlich zahlreich beschäftigt, die sich nicht wegducken und ihre Rechte aller Einschüchterung zum Trotz einklagen wollen, müssen sich nicht nur für einen potentiellen Verlust ihres Jobs, sondern auch ihres Visums wappnen. »Leute, lasst uns die Diskussion stoppen; sie drohen, uns unsere Visa wegzunehmen«, zitiert »Exposing Zalando« auf Instagram aus dem Chat der muslimischen Gemeinschaft des Konzerns. Zalandos zionistische Kampagne, heißt es weiter, sei Ausdruck der allgemeinen Dynamik der deutschen Politik und Öffentlichkeit. Für die Verbrauchermarke wie Zalando sei das Einschwenken auf diese Linie allerdings eine Gefahr, resümiert die Kampagne. Eine jW-Anfrage zu den Vorwürfen ließ der Konzern unbeantwortet.

Hintergrund: Politischer Drahtseilakt

Mal angenommen, die Vorwürfe treffen allesamt zu. Welchen Grund hat Zalando, seine Beschäftigten auf die Staatsräson festzunageln, palästinasolidarische Beschäftigte einzuschüchtern und Unbeugsame herauszuekeln? Gerade die Generation Z, die Onlinehändlern gemeinhin als strategische Zielgruppe gilt, steht Israels Kriegführung kritisch gegenüber. Der chinesische Konkurrent Shein stellte die Kooperation mit israelischen Influencern darum bereits Ende 2023 ein.

Folgt man dem Geld, wie das Sprichwort gebietet, findet man heraus, dass der dänische Milliardär Anders Holch Povlsen der größte Einzelaktionär der Zalando SE ist. Laut Times of Israel hat seine Familienbeteiligungsfirma Heartland A/S 2021 für 21 Millionen US-Dollar acht Prozent der israelischen Modekette Terminal X übernommen. Zwar mag sein, dass Povlsen darum bemüht ist, sein Investment in Israel nicht zu gefährden, bei Zalando hat er mit rund zehn Prozent aber nicht einmal eine Sperrminorität, wenn auch maßgebenden Einfluss.

Ein anderer möglicher Grund ist die Pflege bester Kontakte in die Regierung. Als Bundeskanzler in spe Friedrich Merz (CDU) anlässlich eines »Town Hall Meetings« des Startup-Bundesverbands vergangenen November bei Zalando in Berlin zu Besuch war, habe Kochef David Schröder gemahnt, dass »Regulierung notwendig sei, Überregulierung aber Innovation hindern und unfairen Wettbewerb erzeugen kann, wenn für globale Wettbewerber nicht derselbe Standard gilt«, so »Exposing Zalando«. Solche Worte haben freilich mehr Gewicht, wenn der Absender signalisiert, dass er der deutschen Staatsräson sklavisch verpflichtet ist. Zwischen Zielgruppen und Adressaten ihres Lobbyismus hin- und hergerissen, müssen viele Konzerne lavieren. (nu)

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

Mehr aus: Schwerpunkt