Linkes Parteiprojekt in der Krise
Von Dieter Reinisch
Während die britische Labour Pary eine neue Vorsitzende als Nachfolgerin für die zurückgetretene Angela Rayner sucht, schlittert das neue linke Parteiprojekt um den früheren Labour-Chef Jeremy Corbyn und die ehemalige Labour-Abgeordnete Zarah Sultana bereits vor seiner Gründung in eine tiefe Krise. Am Donnerstag brach der Konflikt zwischen den beiden Kovorsitzenden offen auf: Sultana hatte einen Link auf X geteilt, über den sich Mitglieder registrieren konnten. Bereits bis zum Nachmittag sollen sich 20.000 Personen registriert haben, schrieb sie auf X.
Doch da hatte Corbyn bereits eine eigene Stellungnahme veröffentlicht: Die Seite sei ohne Genehmigung eingerichtet worden, er sprach auch von einem »falschen Mitgliedschaftssystem«, das unautorisiert Geld und Daten sammle. Die Stellungnahme war auch von den anderen vier Parlamentariern der Independent Alliance unterzeichnet worden: Ayoub Khan, Adnan Hussain, Iqbal Mohamed und Shockat Adam.
Sultana entgegnete, dass es abgemacht gewesen sei, dass eine Fraktion die Mitgliederdaten und eine andere die Finanzen innehabe. Sie sei in letzter Zeit aber aus allen Entscheidungen und Konsultationen herausgehalten worden. Das Projekt unter dem derzeitigen Namen »Your Party« (Deine Partei) würde undemokratisch von einem »sexistischen Männerverein« geführt.
Hinter dem Streit liegt eine Debatte über die Frage der demokratischen Prozesse und der Einbindung der Basis, für die Sultana eintritt. Im August griff die Abgeordnete Corbyn erstmals offen im Independent an. Sie kritisierte, dass er Labour undemokratisch geführt habe und »in der Antisemitismusdebatte eingeknickt« sei. Das werde bei der neuen Partei nicht passieren, denn »ich bin Antizionistin«, versicherte sie auf X.
Der Konflikt könnte zum Scheitern des Parteiprojekts führen. Dabei waren Corbyn und Sultana gut gestartet: Nach ihrer Ankündigung, eine neue Linkspartei gründen zu wollen, erklärten bei Umfragen im Juli bis zu 15 Prozent der Wahlberechtigten, dieser Partei möglicherweise ihre Stimme zu geben. Erst Anfang der Woche war ein Fahrplan zur Parteigründung veröffentlicht worden. Doch nun ist ungewiss, ob der für November geplante Gründungskongress stattfinden wird.
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