»Man will jetzt ein Exempel statuieren«
Interview: Susanne Knütter
Der Sanierungstarifvertrag für Thyssen-Krupp Steel wurde von den Mitgliedern nicht mit der großen Zustimmung angenommen, wie man es gewohnt ist.
Die Mehrheit hat zugestimmt. Gleichzeitig gibt es große Kritik an dem Verzicht, selbst bei denen, die zugestimmt haben. Aber sie haben keine anderen Alternativen gesehen. Der Vorstand hat ein Drohszenario aufgebaut: Wenn wir die 120 Millionen Euro aus der Belegschaft nicht bekommen, müssen wir Insolvenz anmelden. Das hat viele verunsichert. Ein ganzer Teil der Kollegen hat bewusst dagegen gestimmt, weil sie dafür sind, richtig zu streiken.
Wäre das aussichtsreich?
Der Kürzungsplan beinhaltet, dass 11.000 Arbeitsplätze verschwinden sollen. So werden die Ausbildungszahlen reduziert. Jetzt schon wurden anstatt 350 nur 250 eingestellt; ab März läuft die Regelung zur unbefristeten Übernahme aus. Für die Jugend sind immer weniger Arbeitsplätze da. Es lohnt sich, für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu kämpfen.
Jetzt gibt es eine Arbeitszeitverkürzung.
Aber ohne Lohn- und Personalausgleich. Das erhöht den Druck in den Betrieben, wo eh schon oft unterbesetzt gearbeitet wird. Die Arbeit bleibt. Gleichzeitig sollen circa 4.000 Stellen über »Effizienzmaßnahmen« abgebaut werden. Das ist Arbeitsverdichtung pur.
Mit dem Abschluss sind Arbeitskampfmaßnahmen erst einmal vom Tisch.
Die waren ja noch nie geduldet, weil es bei freiwilligen Verhandlungen kein Streikrecht gibt. Deswegen wurden die mobilen Betriebsratsbüros organisiert. Die versucht der Vorstand jetzt im nachhinein zu attackieren. Vor zwei Wochen habe ich eine Abmahnung bekommen, weil ich als Betriebsrat die Kollegen dafür mobilisiert habe. Damit hätte ich gegen meine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Das ist ein Angriff auf den Betriebsrat, die IG Metall und die kämpferische Richtung. Vor allem ist es ein Einschüchterungsversuch gegen die Belegschaft.
Warum kommt die Abmahnung erst jetzt?
Die Kollegen haben Anfang Juli ihr Recht auf Information wahrgenommen. Dadurch standen verschiedene Anlagen über mehrere Stunden still. In meinem Bereich hätte das zu einer Million Euro Schaden geführt. Damals, kurz vor der Einigung mit der IG Metall, hat der Vorstand sich nicht getraut, gegen die Belegschaft vorzugehen. Im nachhinein will man jetzt ein Exempel statuieren.
Ist die Maßnahme die Vorbereitung auf weitere, härtere Auseinandersetzungen?
Davon gehe ich aus. Manches wird jetzt erst umgesetzt und den Kollegen bewusst. So will Thyssen-Krupp 6.000 Arbeitsplätze ausgliedern. In einigen Bereichen sagen die Kollegen: Das können wir uns nicht gefallen lassen. Ausgliederung bedeutet schlechtere Arbeitsbedingungen. Und die Liste vom Vorstand ist lang: Alles, was nicht unmittelbare Produktion ist, soll ausgegliedert werden.
Diese Woche wurde bekannt, dass das indische Unternehmen Jindal die Stahlsparte von Thyssen-Krupp kaufen will. Wie bewerten Sie das?
Jindal würde einen Zugang zum europäischen Markt bekommen, den Indien bisher nicht hat. Im Hintergrund will die EU gerade das Freihandelsabkommen mit Indien durchsetzen. Jindal wird nicht den Plan von TK ändern, die Flüssigphase zu halbieren. Es ist unklar, ob das der deutsche Imperialismus zulässt, da er zur Aufrüstung einen ungehinderten Zugriff auf Stahl braucht. Es kann sein, dass dafür die Salzgitter AG und Saarstahl ausreichen und Thyssen-Krupp nicht mehr diese Bedeutung für die Regierung hat.
Was folgt daraus?
Auch wenn Beschäftigtenvertreter es so darlegen, als würde mit Jindal mehr investiert werden – keins der Probleme ist aus Sicht der Kollegen gelöst. Der Kahlschlagsplan wird konsequent umgesetzt und die Braut aufgehübscht, mit weiteren Angriffen auf die Belegschaft.
Wie wirkt die Entwicklung bei Ford auf die Kollegen bei Thyssen-Krupp? Kurz nachdem der Sanierungsvertrag angenommen wurde, wurden neue Stellenstreichungen angekündigt.
Das ist ein Generalangriff auf die Arbeiter. Dagegen hilft nur der konsequente Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz, um höhere Löhne, um bessere Arbeitsbedingungen und auch gegen die Arbeits- und Sozialpolitik der Bundesregierung.
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