Täuschung entlarven
Von Claudia Wrobel
Welche Auswüchse eine religiös begründete extreme Rechte bekommen kann, lässt sich gerade exemplarisch gut in den USA beobachten. Nach dem tödlichen Anschlag auf den faschistischen Podcaster Charlie Kirk schlagen die Wellen immer höher, TV-Sendungen werden von Kritikern abgesetzt, und US-Präsident Donald Trump macht, trotz gegenteiliger Hinweise, die gesellschaftliche Linke für das Attentat verantwortlich. Doch auch hierzulande ist die christlich-fundamentalistische Szene ungebrochen aktiv – und vernetzt sich immer stärker in weitere Teile der extremen Rechten hinein. Am Sonnabend wird in Berlin und Köln mal wieder der sogenannte Marsch für das Leben stattfinden, bei dem man diese Vernetzung bereits seit Jahren beobachten kann.
Vordergründig ist die Veranstaltung der »Lebensschützer« eine Demonstration gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Selbst die herrschende Regelung, nach der Abbrüche nur unter gewissen Umständen straffrei bleiben, aber generell nicht erlaubt sind, geht diesen Fundamentalisten schon zu weit. In ihrem Aufruf sprechen sie sich zum Beispiel gegen den freien Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche aus, die sie als »Werbung« betiteln, und behaupten, sich für »Inklusion auch vor der Geburt« einzusetzen.
Insbesondere die Wohlfühlslogans im Aufruf sollen Empathie wecken, aber sie verschleiern vor allem, dass es darum geht, Schwangeren die Entscheidungsgewalt über den eigenen Körper abzusprechen und eine Geburt um jeden Preis erzwingen zu wollen. Die Instrumentalisierung des »Schutzes behinderten Lebens« wird spätestens dann deutlich, wenn man einen genaueren Blick auf die Akteure wirft, die am Sonnabend mit auf die Straße gehen.
So hat das Bündnis »What the fuck«, das in Berlin eine Protestkundgebung gegen den Marsch organisiert, am Mittwoch darauf hingewiesen, dass sowohl in der Hauptstadt als auch in Köln die Stiftung »Citizen Go« an den Märschen teilnimmt. Nach außen tritt die Stiftung vor allem über eine Petitionsplattform auf. Das Themenspektrum reicht von Protesten gegen eine Fernsehserie, in der angeblich Jesus verhöhnt wird, bis zu extrem rechten Themen. Es handelt sich um eine Art Scharnier, um religiöse mit faschistischen Themen zu verknüpfen.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte bereits 2021 zahlreiche Dokumente, aus denen hervorgeht, dass die Stiftung mit rechten Parteien in ganz Europa zusammenarbeitet, in Deutschland mit der AfD. Unter den veröffentlichten Dokumenten finden sich vor allem auch Papiere, die zeigen, dass es sich dabei um eine auf mehrere Jahre ausgelegte Strategie handelt, mit dem Ziel, konkret Einfluss auf Regierungshandeln zu erlangen.
Diese Akteure fallen außerhalb ihres Einsatzes gegen reproduktive Rechte nicht mit ihrem Einsatz für Inklusion auf, sondern im Gegenteil vor allem durch behindertenfeindliche Aussagen. So hatte beispielsweise Maximilian Krah, Bundestagsabgeordneter der AfD, den ARD-Vorstoß, die »Tagesschau« online in sogenannter einfacher Sprache zu veröffentlichen, als »Nachrichten für Idioten« bezeichnet. Dabei werden komplexe Zusammenhänge in möglichst verständlicher Art und Weise ausgedrückt. Björn Höcke, Thüringer Landtagsabgeordneter der AfD, bezeichnete Inklusion im Bildungswesen in einem Interview mit dem MDR als »Ideologieprojekt« und »Belastungsfaktor«.
Diese Aussagen stehen exemplarisch für den Umgang der Partei mit den Rechten von beeinträchtigten Menschen. Solche Bündnispartner beweisen, dass es beim »Marsch für das Leben« vor allem um die Kontrolle von Frauen und deren Körpern geht. Nach der Geburt interessiert die Inklusion dann niemanden mehr. »Wenn die christlichen FundamentalistInnen Begriffe wie Lebensschutz und Meinungsfreiheit benutzen, dann tun sie das als Attrappe«, ist sich so auch Lili Kramer von Bündnis »What the fuck« sicher. »Sie meinen nicht, was sie sagen, sondern nutzen die positiv besetzten Wörter, um den Anschein zu erwecken, dass sie für etwas Gutes eintreten würden. Es ist unsere Aufgabe, diese Täuschung zu entlarven und die Bedrohung zu erkennen, die von der ›Lebensschutzbewegung‹ ausgeht.«
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