Fundis und Rechte Hand in Hand
Von Gitta Düperthal
Es waren letztlich wesentlich weniger, als im Vorfeld von den Organisatorinnen der »Stimme der Stillen« angekündigt: Etwa 2.000 Teilnehmer zogen am vergangenen Sonnabend beim sogenannten Marsch fürs Leben durch München. Die bisherige Tendenz des jedes Jahr anwachsenden Marsches dürfte sich damit erledigt haben, kommentierte die Protestbewegung »Pro Choice« auf ihrer Webseite. Das Bündnis kritisiert diesen fünften Münchner Marsch erneut als »Angriff auf das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung«.
Während die Teilnehmerschaft gesunken ist, hat sich der Marsch weiter nach rechts geöffnet. In einer Erklärung der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (FIRM) heißt es: Der Marsch biete Gruppen eine Plattform, auf der sie »ihre Vorstellungen einer patriarchalen Geschlechterordnung inszenieren können«. Dies gehe einher mit gezielten Angriffen auf feministische Errungenschaften, queere Lebensrealitäten und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch.
Wie Anwesende jW berichteten, seien sowohl fundamentalreligiöse Abtreibungsgegner dabeigewesen als auch (meist männliche) Akteure aus dem extrem rechten Lager: unter anderem AfD-Funktionäre wie Franz Schmid und Jan Schiffers, die im Bayerischen Landtag sitzen, und Christoph Rätscher von der AfD in München. Gesichtet wurden auch Robin Mengele von der Identitären Bewegung in Augsburg und Tim Schulz von der rechten Sammelbewegung »Gemeinsam für Deutschland«. Aus dem rechtsklerikalen Spektrum waren erzkatholische Organisationen wie »Tradition, Familie, Privateigentum« und »Christ Königtum« zugegen, die aggressiv gegen Schwangerschaftsabbrüche wettern. Das Bündnis »Pro Choice« sprach gegenüber dem Deutschlandfunk von einem »relevanten Ort rechter Vernetzung«. Schon seit Jahren laufen öffentlichkeitswirksam Vertreter der AfD beim Marsch mit. Die sogenannte Lebensschutzbewegung sei immer weniger bemüht, ihre Rechtsoffenheit zu kaschieren, heißt es bei FIRM. Unter dem Deckmantel eines »Pro Life«-Narrativs würden »antidemokratische, antifeministische und menschenfeindliche Positionen« transportiert.
Als Redner trat beim diesjährigen Marsch auch der sächsische Franziskaner Paulus-Maria Tautz auf. Er legte sein patriarchales Menschenbild kürzlich im Interview mit dem christlichen Onlinemagazin Corrigenda dar: Männer seien die Krönung der Schöpfung, »weil sie nach dem Naturgesetz und dem regenerierenden Prinzip die geistliche Autorität und Leitungsfunktion haben«. Als weiterer Redner fungierte Corrigenda-Verleger Kristijan Aufiero, der zudem Geschäftsführer der privaten »1000plus-Profemina« ist, einer »Beratungsstelle«, die sich zur Mission gemacht hat, »Schwangere in Not und ihre ungeborenen Kinder« vor einem Abbruch »bewahren« zu wollen.
Die Nähe von christlichem Fundamentalismus zur völkischen Rechten manifestierte sich schon durch ein Ereignis beim Berliner Marsch im September 2023, das als »Bischofsgate« Schlagzeilen machte: Ein Marschierer, in einer Reihe mit dem rechtskonservativen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, hielt das »White-Power-Zeichen« in die Kamera, ein Erkennungssymbol der globalen extremen Rechten. Stefan Groß, Sprecher des Regensburger Bistums, hatte damals am 18. September gegenüber der Tagespost – »Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur« – erklärt: Dass ein solches Foto entstehe, sei »leider nicht ausgeschlossen«, da auch »derartige Personen bei einem Demonstrationsmarsch teilnehmen«. Die sehen sich neuerlich »beflügelt« durch Donald Trumps Wahlsieg, wie das Rechercheteam von Correctiv am 28. Februar berichtete: So bedankte sich Cornelia Kaminski, CDU-Politikerin aus Hessen und Bundesvorsitzende des Vereins »Aktion Lebensrecht für alle«, gemeinsam mit mehr als 30 US-amerikanischen Abtreibungsgegnern in einem offenen Brief für dessen Engagement gegen Schwangerschaftsabbrüche.
Aber für München konnte das Bündnis »Pro Choice« eine erfolgreiche Gegendemo vermelden. Mit einer spontanen Zwischenkundgebung sei es gelungen, den geplanten Start des Fundi-Marsches zu verzögern. Das Bündnis fordert einen uneingeschränkten Zugang zu kostenlosen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Mit Blick auf die kommende Bundesregierung befürchtet man dort allerdings, dass »die Vorzeichen auf Rückschritt stehen«.
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