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Aus: Ausgabe vom 19.09.2025, Seite 11 / Feuilleton
John Heartfield

Weg der Avantgarde

Der John-Heartfield-Saal im Reina-Sofía-Museum in Madrid
Von Hugo Braun
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Montage von John Heartfield zum Ersten Weltkrieg (1926)

Bei diesem Besuch im Reina-Sofía-Museum in Madrid war etwas anders als zwei Jahre zuvor. Im Sabatini-Flügel, auf dem Weg zu Picassos »Guernica«, stutzte der deutsche Besucher: Der Raum 205.04 vor dem großen Saal, in dem Picassos berühmtestes Gemälde stets flankiert von zwei Sicherheitsleuten gezeigt wird, war nun einem deutschen Künstler gewidmet. Dort präsentiert das Museum 33 Werke des Malers und Grafikers John Heartfield (1891–1968), eines der innovativsten politischen Künstler Europas. Seine Fotomontagen zählen zu den eindrucksvollsten künstlerischen Beiträgen im Kampf gegen den deutschen Faschismus.

Es sind visionäre Arbeiten darunter wie die ordensbehängte Hyäne auf einem Schlachtfeld mit dem Titel »Krieg und Leichen. Die letzte Hoffnung der Reichen« oder das mit Henkersbeilen behängte Hakenkreuz aus den 30er Jahren. »Millionen stehen hinter mir« ist ironisch eine weitere seiner hier gezeigten bekanntesten Arbeiten beschriftet. Sie zeigt Hitler, der in die Hand, mit der er den »deutschen Gruß« seiner Anhänger salutiert, ein Geldbündel von einem Unternehmer gelegt bekommt. Ebenfalls in Madrid zu sehen sind Heartfields Mahnungen an die Nachgeborenen »Wenn wir es alle nicht wollen, wird es nie sein!« sowie die von einem Bajonett aufgespießte Friedenstaube mit dem »Niemals wieder!« aus den 50er Jahren. Die Werke sind angesichts des erstarkenden Faschismus in Europa von erschreckender Aktualität.

Seit 2024 erst im Bestand des Museums, fügen sich diese Arbeiten an diesem Ort wie ein Schlüsselstein in den »Weg der Avantgarde zu Guernica« – so das Motto der Sammlung im Sabatini-Bau, zu der neben Picasso auch Werke von George Grosz, Joan Miró, Julio González, Fernand Léger und vieler anderer politisch-kritischer Künstlerinnen und Künstler gehören.

Dass es diesen Heartfield-Saal in der spanischen Hauptstadt gibt, erinnert daran, dass eine dauerhafte und umfassende Präsentation des Künstlers in Deutschland fehlt. Zwar können Interessierte im Studiensaal der Kunstsammlung der Akademie der Künste Heartfields Originale nach vorheriger Terminvereinbarung einsehen oder deren Onlinekatalog des grafischen Nachlasses benutzen. Auch das John-Heartfield-Haus in Waldsieversdorf, sein ehemaliges Sommerhaus, widmet sich dauerhaft seiner Arbeit für den Malik-Verlag. Doch diese Orte sind Spezialisten vorbehalten oder thematisch begrenzt.

Immerhin widmen Museen Heartfield immer wieder Ausstellungen, etwa »Fotografie plus Dynamit« 2020 in der Berliner Akademie der Künste und 2021 im NS-Dokumentationszentrum München oder »33 Geistesblitze« im Kunstmuseum Erfurt (2024). Diese Ausstellungen wiederum sind zeitlich begrenzt und vermitteln kein Gesamtbild seines Schaffens. So ließen die Erfurter Kuratoren beispielsweise sowohl die eindrucksvoll gestalteten Plakate für den Reichstagswahlkampf der KPD als auch Heartfields grafisches Bekenntnis zur Sowjetunion bewusst außen vor.

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