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Aus: Ausgabe vom 19.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Philippinen

Selbstbedienung bei Fluthilfe

Steuergeld für Katastrophenschutz in Geisterprojekten: Veruntreuungsskandal auf Philippinen weitet sich aus
Von Thomas Berger
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Hohe Inflation, niedrige Löhne, grassierende Korruption: Proteste gegen die Regierung in Manila (28.7.2025)

Gleich zwei große Protestkundgebungen sind für Sonntag in der philippinischen Hauptstadt angekündigt. Im Luneta-Park will ein studentisches Bündnis möglichst viele Menschen mobilisieren. Kirchliche Gruppen rufen zu einer Aktion auf der EDSA, einer der Hauptstraßen Manilas, auf. Sowohl Ort als auch Datum sind symbolträchtig. Am 21. September vor 53 Jahren hatte Diktator Ferdinand Marcos, Vater des heutigen Präsidenten, das Kriegsrecht über den südostasiatischen Inselstaat verhängt. Die EDSA-Proteste 1986 brachten die Marcos-Familie zu Fall.

Aktuell geht es um 545 Milliarden Pesos (rund neun Milliarden Euro) für das staatliche Fluthilfeprogramm. Ein Großteil dieser Summe ist bisher offenbar in »Geisterprojekten« versickert und nie in den betroffenen Regionen angekommen. Mit dem »Trillionen-Peso-Marsch« auf der EDSA fordern die Aktivisten komplette Aufklärung. Obgleich auch Staatschef Ferdinand Marcos Jr. Aufklärung versprochen hat, gibt es Netzwerke, die verhindern wollen, dass der gesamte Umfang der Veruntreuung ans Licht kommt. Gerade erst ist die Spitze des Senats ausgetauscht worden. Der Präsident der einflussreichen zweiten Parlamentskammer, Vicente Sotto III, hat wiederum seinen Senatskollegen Panfilo »Ping« Lacson zum Vorsitzenden des parlamentarischen Untersuchungsausschusses berufen.

In einer Senatsrede am 20. August sprach Lacson davon, dass schätzungsweise nur 40 Prozent der dafür bestimmten Mittel bei den Projekten zum Wiederaufbau und besseren Flutschutz in den Städten und Regionen ankommen, der Rest verschwinde als Schmiergelder und Abzweigungen in privaten Taschen. Im Rampenlicht stehen derzeit insbesondere 15 Firmen, die seit Jahren den überwiegenden Teil der staatlichen Aufträge einstreichen. Darunter Pacifico Discaya und seine Ehefrau. Sie haben ein ganzes Firmengeflecht gegründet, das zuletzt allein 31 Milliarden Pesos (rund 500 Millionen Euro) an staatlichen Fluthilfeaufträgen einheimste. Eine im Hauptstadtviertel Pasig entdeckte Garage des Paares, gefüllt mit Luxuswagen von Rolls-Royce, Bentley und anderen Nobelmarken, ist nur ein Puzzleteil im Gesamtbild, das zeigt, wie sich Geschäftsleute und Politiker aus dem Topf bereicherten.

Die Philippinen gehören zu den Ländern, die mit tendenziell immer heftigeren Tropenstürmen schon heute am stärksten unter dem Klimawandel leiden. Die Regierung stellt sich dem mit beträchtlichen Ausgaben. Doch viele Projekte, das ist nun erwiesen, stehen nur auf dem Papier. Bei anderen wird zum Beispiel minderwertiges Material eingesetzt. Unter Druck geratene Firmenchefs sind teilweise bereit, auszupacken. Bei einer Anhörung am 8. September sind mindestens 17 Parlamentarier mit Vorwürfen der Verstrickung belastet worden. Manche davon saßen bislang selbst wichtigen Kontrollorganen vor oder hatten dort ihre Freunde. Von den »Fluttoren der Korruption« sprach der parlamentarische Kontrolleur Lacson in seiner Rede. Die Zeitung Philippine Daily Inquirer forderte ein wahrhaft unabhängiges Untersuchungsgremium. Den Parlamentariern und auch dem Präsidenten selbst trauen das viele Filipinos nicht zu.

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