Ein Schritt vorwärts
Von Nick Brauns
Niemand, der guten Willens ist, kann noch die Augen davor verschließen, dass die israelische Armee in Gaza einen Völkermord begeht. Doch die Bundesregierung, die mit ihrer moralisch begründeten, in Wahrheit aber geopolitisch und ökonomisch bedingten Unterstützung Israels Herzen und Köpfe der Bevölkerung zu verlieren droht, belässt es bei zahnlosen Ermahnungen und lediglich einer Aussetzung neuer Waffenexportgenehmigungen. Gleichzeitig blockiert sie weitergehende EU-Sanktionen gegen Israel.
Dass die Palästina-Solidarität in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten bislang schwach ist, ist nicht nur der Repression mit Polizeigewalt und Konsequenzen bis hin zum Jobverlust geschuldet. Insbesondere die zögerliche Haltung der Partei Die Linke, die in ihren Reihen offene Apologeten des zionistischen Kolonialismus duldet, aber Angst vor einer bei ihren europäischen Schwesterparteien gängigen Parteinahme für den palästinensischen Freiheitskampf hat, erscheint als Hemmnis einer Ausweitung der Protestbewegung.
Von daher ist es ein Fortschritt, dass die Linkspartei jetzt unter Druck ihrer Basis gemeinsam mit Menschenrechts-NGOs zum Aktionstag »All Eyes on Gaza – Stoppt den Genozid!« am 27. September in Berlin mobilisiert. Die Hoffnung besteht, dass dies die bislang größte Demonstration für Gaza in Deutschland wird. Die Forderungen »Stoppt den Völkermord, keine Waffen nach Israel, humanitäre Hilfe jetzt« sind der gemeinsame Nenner, um eine möglichst große Mobilisierung zu ermöglichen.
Es wäre indessen verhängnisvoll, die Solidarität auf Palästinenser als Opfer beschränken zu wollen, wie es etwa von der Linkspartei-Führung versucht wird, die sich weiterhin in allerlei Abgrenzung von unerwünschten Fahnen, Slogans und Forderungen übt. In paternalistischer Weise wird sich so nicht nur über die gerade in Berlin starke palästinensische Diaspora hinweggesetzt, sondern vor allem auch über den antikolonialen Widerstand in Palästina selbst. Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass allein diejenigen, die diesen Befreiungskampf führen und die Konsequenzen tragen, letzten Endes auch über dessen Mittel, Organisation und Führung entscheiden.
Ebenso gilt es, keine moralischen Haltungsnoten für die verschiedenen Formen des Protests und der Solidarität zu vergeben, sondern diese an ihrem Erfolg zu bemessen. Ob Demonstrationen oder Hörsaalbesetzungen, ob Boykotte von Wirtschaftsbeziehungen mit Israel, aber auch von dessen mit Weißwaschung befassten Kultur- und Sportbotschaftern, ob Streiks von Hafenarbeitern gegen Waffentransporte, ob Blockadebruch per Gazaflottille oder Aktionen zivilen Ungehorsams gegen Rüstungsfirmen wie Elbit: Für die internationale Solidarität gelten ebenso wie für den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung Palästinas die Worte von Malcolm X: Legitim ist, was notwendig ist – by any means necessary!
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