Studentenmieten hoch wie nie
Von Luca von Ludwig
Als Anfang September der neueste OECD-Bildungsbericht vorgestellt wurde, jubelte man im Wissenschaftsministerium noch über den Zuwachs bei den jungen Menschen, die sich für ein Studium entscheiden, und feierte sich für die Attraktivität des »Bildungsstandorts Deutschland«. Blöd ist es da nur, wenn sich besagte Studienanfänger kaum einen Ort zum Wohnen leisten können. So hoch wie nie – bei mittlerweile mehr als 500 Euro – liegen die Durchschnittsmieten für Studentenwohnungen und -zimmer, wie eine am Donnerstag vorgestellte Analyse des Moses-Mendelssohn-Instituts ergab.
Für die Erhebung wurden alle 88 Hochschulstandorte in der BRD betrachtet, die über 5.000 Studenten zählen. Mit 505 Euro muss man dort zu Beginn des aktuellen Wintersemesters durchschnittlich an Wohnkosten rechnen, ergibt die Analyse. Im Sommersemester waren es demnach noch 493 Euro, im Wintersemester des vergangenen Jahres noch 489 Euro, also 2,4 beziehungsweise 3,3 Prozent weniger.
»Die Märkte haben sich zwar auf einem sehr hohen Niveau stabilisiert«, so Stefan Brauckmann, Direktor des Instituts, »aber das bedeutet keine Entlastung für Studierende«. Insbesondere, weil sich die Werte weit über der im BAföG vorgesehenen Wohnkostenpauschale befänden. 380 Euro beträgt diese seit dem Wintersemester 2024/25. In siebzig der achtundachtzig untersuchten Städte reicht das nicht für die durchschnittlichen Mietpreise, in vierzig nicht einmal, wenn man ein besonders günstiges Wohnangebot erwischt.
Ein düsteres Bild, das sich bestätigt, macht man die Probe aufs Exempel: Bei einer kurzen Internetsuche finden sich für den Raum Berlin kaum Wohnungs- oder WG-Anzeigen, die unter 500 Euro kommen. Oft zahlt man 700 Euro und mehr für ein WG-Zimmer, teils mit weniger als zehn Quadratmetern. Einraumwohnungen kratzen meist an der Tausendermarke. Viele, aber insbesondere günstige Angebote sind auf kürzere Zeit als ein halbes Jahr befristet.
»Die hohe Miete droht viele Studierende finanziell zu erdrücken«, meint auch Matthias Anbuhl, Chef des Deutschen Studierendenwerks. Die Zahlen seien »besorgniserregend«, es drohe »eine neue soziale Auslese«, bei der die Fähigkeit, sich in der jeweiligen Stadt die Miete leisten zu können, über die Bildungschancen entscheide. Wohnungsmarktforscher Brauckmann betonte darüber hinaus, dass die Daten zwar die Mietpreise abbildeten, aber nicht erfassen könnten, »wie viele junge Menschen sich aufgrund hoher Wohnkosten oder fehlenden Angebots gegen ein Studium an einem bestimmten Ort entscheiden. Das bleibt eine wichtige offene Frage«, so der Institutsleiter.
Sowohl das Studierendenwerk als auch das Mendelssohn-Institut appellierten am Freitag an die Regierung, die für das kommende Jahr angekündigte BAföG-Reform im Bundeshaushalt zu verankern und dabei auch (regelmäßige) Erhöhungen der Wohnkostenpauschale auf den Weg zu bringen. Ferner müsse das Programm »Junges Wohnen«, eine Bund-Länder-Initiative zur systematischen Schaffung von Wohnraum für Studenten und Auszubildende, intensiviert werden. Das Wissenschaftsministerium äußerte sich auf Anfrage zu etwaigen Plänen bis jW-Redaktionsschluss nicht.
Scheinbare Jubelmeldungen gab es derweil aus der Baubranche. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte, lagen die Zahlen für neue Wohnungsbaugenehmigungen im Juli 30 Prozent über denen des Vorjahresmonats. Die bloßen Prozente trügen allerdings: Im Juli 2024 hatte es so wenige Wohnungsbaugenehmigungen gegeben wie seit 2009 nicht mehr. Im selben Zeitraum sind die Nettokaltmieten um 64 Prozent gestiegen, deutlich stärker als andere Lebenshaltungskosten und die Löhne, kommentierte der Deutsche Mieterbund die Daten. Dass das kurzfristige Auf zu einer wirklichen Entspannung des Wohnungsmarktes beitragen wird, darf also bezweifelt werden.
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