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Aus: Ausgabe vom 19.09.2025, Seite 4 / Inland
Haushalt

Ressort Migration und Polizei

Debatte über Etat des Innenministeriums von Wortmeldungen zur Migrationspolitik geprägt. Fokus auf »nützlicher« Einwanderung
Von Kristian Stemmler
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Der Minister in seiner bevorzugten Dienstuniform (Kiefersfelden, 15.5.2025)

War die Aussprache über den Etat des Verteidigungsministeriums am Mittwoch von Aufrüstungsapologetik und der Beschwörung einer russischen Bedrohung geprägt, ging es bei der Debatte über den Etat des Innenministeriums am Donnerstag vor allem um Migrationspolitik. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) rief aus, Deutschland sei ein »weltoffenes Land«, aber »nicht für Menschen, die unseren Sozialstaat ausnutzen wollen«. Als Erfolg verbuchte er, dass die Zahl der Asylanträge im August um 60 Prozent niedriger gewesen sei als im August 2024. Die Bundesrepublik sei nicht mehr Zielland Nummer eins der »illegalen Migration«. Seine Politik brachte Dobrindt auf die Formel »Kante, Kurs und Kontrolle«.

Warme Worte fand Dobrindt für Zuwanderer, »die unserem Land nutzen«. Für Fachkräfte aus dem Ausland werde man die Verfahren beschleunigen und dafür die digitale Bundesagentur für Einwanderung (»Work-and-Stay-Agentur«) schaffen. Der Minister verteidigte die Gespräche mit der afghanischen Taliban-Regierung über Abschiebungen in das Land. Abgeschoben würden lediglich »schwerste Straftäter«. Die Grünen hatten Dobrindt vorgeworfen, er mache sich mit den »Deals« zum »Handlanger der Taliban«. Der Minister konterte, wer die »Rückführungen« nach Afghanistan verhindern wolle, wie Grüne und Linke, stelle sich »auf die Seite der Kriminellen«.

Dietmar Bartsch (Die Linke) monierte, dass Dobrindt sich zu sehr auf die Migrationspolitik konzentriere: »Sie sind nicht Migrationsminister, Sie sind Bundesinnenminister.« Die Abschiebungen, die das Ministerium intensivieren wolle, beträfen eben nicht nur Kriminelle. »Tatsächlich waren allein in diesem Jahr mehr als 1.300 schulpflichtige Kinder betroffen«, so Bartsch. Viele von ihnen hätten das Land, in das sie abgeschoben wurden, nie gesehen. Die Zahl der Abschiebungen könne kein Maßstab für eine erfolgreiche Migrationspolitik sein.

Der Grünen-Abgeordnete Leon Eckert kritisierte, dass die Bundesregierung legale Aufnahmeprogramme wie die humanitäre Aufnahme für »besonders gefährdete Personen« eingestellt hat. Es sei zudem »unsäglich«, dass bereits bewilligte Einreisen früherer afghanischer Ortskräfte »mit bürokratischen Hürden« und über »unendlich lange Sicherheitsüberprüfungen« verhindert würden. Dies treffe »die Falschen«. Bartsch bezeichnete den Umgang mit den sogenannten Ortskräften, die für die Bundeswehr oder andere deutsche Institutionen gearbeitet und ihr Leben für Deutschland riskiert hätten, als »schäbig«.

Dobrindt bekräftigte, dass die Kontrollen an den Außengrenzen um ein weiteres halbes Jahr verlängert würden. Die Bundespolizei hat nach Angaben der Behörde zwischen dem 8. Mai und dem 31. August insgesamt 12.885 Personen unmittelbar an der Grenze oder im Zusammenhang mit dem illegalen Grenzübertritt zurückgewiesen, darunter waren 692 Menschen, die ein Asylgesuch äußerten. Der AfD reichte das nicht. Die Kontrollen an den Grenzen seien »reine Symbolpolitik«, bemängelte Gottfried Curio, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ministerien muss Dobrindts Haus keine Kürzung hinnehmen, sondern kann sich über ein deutliches Plus freuen. Der Etat des Innenministeriums liegt nun bei rund 15,2 Milliarden Euro; 2024 standen noch 13,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Etwa jeder dritte Euro wird für die Bundespolizei ausgegeben. Wenig überraschend auch angesichts der Debatte vom Donnerstag: Die Mittel für »Integration und Migration, Minderheiten und Vertriebene« wurden von 1,43 auf 1,37 Milliarden Euro gekürzt.

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