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Aus: Ausgabe vom 17.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Preiskampf in China

Evergrande 2.0

Chinesische KP kämpft gegen Unterbietungswettbewerb der eigenen Produzenten und für einheitlichen Markt
Von Jörg Kronauer
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Fatal für heimische Industrie: Dumping in Hightechbereichen wie der Fertigung von Elektroautos

Chinas Präsident Xi Jinping hat sich erneut in die Debatte um den Preiskampf eingeschaltet, der seit Monaten in diversen Branchen der chinesischen Wirtschaft tobt. Am Montag veröffentlichte die wichtige Theoriezeitschrift Qiushi, die von der Zentralen Parteischule und vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei herausgegeben wird, einen Beitrag von Xi, der der Thematik gewidmet ist. Wirklich neu ist er nicht: Es handelt sich um einen Auszug aus einer Rede, die Xi bereits im Juli auf einer Sitzung der Zentralen Kommission der Partei für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten hielt. Dass die wichtigsten Elemente der Rede nun auch eigens veröffentlicht werden, zeigt allerdings: Die Partei nimmt die Angelegenheit, um die es geht, sehr ernst.

Und worum geht’s? Exemplarisch lässt sich der eskalierende Preiskampf in China etwa an der Elektroautobranche aufzeigen. Mehr als hundert chinesische Unternehmen stellen heute Elektroautos her – deutlich mehr, als selbst der riesige chinesische Markt verkraften kann. Die Folge: Es werden zu viele Fahrzeuge produziert; die Hersteller suchen sie mit Rabatten loszuschlagen, die die Preise zum Teil unter die Produktionskosten treiben. Was auf den ersten Blick gut für die Konsumenten ist, stürzt die Hersteller in die Verschuldung, lässt die Profite schrumpfen und reduziert so die Gelder, die für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen. In Hightechbereichen wie der Fertigung von Elektroautos ist das fatal. Ende August gab sogar Branchenprimus BYD bekannt, er habe erstmals seit dreieinhalb Jahren einen Gewinnrückgang hinnehmen müssen. Hinzu kommt: BYD ist stark verschuldet; manche Beobachter warnen schon vor einem zweiten Evergrande. Evergrande war der einst boomende Baukonzern, dessen Verschuldung China in die Immobilienkrise trieb.

Was tun? Xi hatte bereits im Juli diverse Vorschläge gemacht, die nun in Qiushi nachzulesen sind. So plädiert er dafür, Behörden und Wirtschaftsverbände sollten sich der Sache rasch annehmen; es gelte, zumindest die exzessivsten Niedrigpreise zu unterbinden und die geregelte Abwicklung langfristig nicht überlebensfähiger Firmen zu unterstützen. Zudem müsse man veraltete Produktionsanlagen stilllegen, um die Überproduktion zu reduzieren. Teils werden die Vorschläge bereits umgesetzt. Die Staatliche Marktregulierungsbehörde etwa hat bereits im Juli begonnen, gezielt den Druck auf Onlinelieferdienste zu erhöhen, ihren unerbittlichen Unterbietungswettbewerb zu stoppen. Ebenfalls im Juli leiteten die Behörden Inspektionen in Kohleminen ein und ordneten zuweilen sogar Schließungen an – aufgrund der Nichteinhaltung von Sicherheitsstandards oder auch von Obergrenzen bei der Förderung. Die Kohleproduktion ging denn auch im August um rund drei Prozent gegenüber der Vorjahresförderung zurück.

Xi dringt zudem darauf, ein Problem anzugehen, das auf regionaler oder lokaler Ebene liegt. Zahlreiche Provinz- und Stadtverwaltungen fördern lokale Unternehmen, um ihre eigene Entwicklung voranzutreiben. Dabei halten sie die Firmen mit allerlei Subventionen zuweilen auch dann im Markt, wenn sie eigentlich nicht konkurrenzfähig sind. Das Problem müsse nun angegangen werden, heißt es in Xis Qiushi-Beitrag; es gelte, die Aktivitäten regionaler und lokaler Behörden diesbezüglich stärker zu regulieren. Zugleich solle man sich darauf orientieren, einen wirklich nationalen Markt zu schaffen, der nicht mehr durch die Eingriffe regionaler und lokaler Behörden zugunsten ihrer jeweiligen Unternehmen fragmentiert sei.

Die Herstellung eines wirklich nationalen Markts gehört zu den Zielen, die Beijing im Rahmen des »Aufbaus einer Marktwirtschaft mit hohen Standards« bis 2035 umgesetzt haben will. Mit der Publikation seines Beitrags in der Zeitschrift Qiushi erhöht Xi nun den Druck – auch mit Blick auf das Vierte Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, das für Oktober angekündigt ist. Dort soll es unter anderem um die Ziele für den nächsten Fünfjahresplan gehen, der auch für den Umgang mit dem gefährlich eskalierenden Preiskrieg Bedeutung hat.

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