Nepal zwischen den Fronten
Von Satyajeet Malik
Plötzlich ging alles ganz schnell. Die am Freitag bestimmte Interimpremierministerin Nepals, Sushila Karki, hat am Montag drei neue Minister eingesetzt – nur wenige Tage nachdem Proteste zur Auflösung des Parlaments geführt hatten. Gemeinsam mit Karki, einer ehemaligen Obersten Richterin, werden die neuen Minister für Inneres, Finanzen und Energie bis zu den nationalen Wahlen im März kommenden Jahres amtieren. Die Zahl der Todesopfer bei den Antikorruptionsprotesten der vergangenen Woche ist indessen auf 72 gestiegen, so Angaben des Gesundheitsministeriums vom Sonntag.
Der Anlass für die Proteste, an denen vor allem junge Menschen teilgenommen hatten, war das von der vorherigen Regierung verkündete Verbot von 26 Social-Media-Plattformen. Obwohl der ehemalige Premierminister Khadga Prasad Sharma Oli in Folge der Demonstrationen zurücktrat und das Verbot aufgehoben wurde, setzten die Demonstranten öffentliche Gebäude in Brand, darunter das Parlament, den Obersten Gerichtshof, zahlreiche Polizeistationen und Privathäuser von Politikern. Die Proteste sind Ausdruck der Wut der Bevölkerung über das Versagen der Regierung, dennoch gibt es Hinweise auf ausländische Einflussnahme. So wurde der Aufstand hauptsächlich von der NGO »Hami Nepal« organisiert, die Demonstranten mobilisierte, Protestrouten festlegte und Sicherheitstipps verbreitete. Hami Nepal hat laut einigen Medienberichten finanzielle Unterstützung des »National Endowment for Democracy« erhalten. Die Stiftung wurde 1983 vom US-Kongress geschaffen und wird aus dem US-Haushalt finanziert. Auf ihrer Website bestätigt Hami Nepal zudem die Kooperation mit dem US-Unternehmen Coca-Cola. Als ihren Mentor benennt die Organisation den Augenarzt Sanduk Ruit, der enge Verbindungen zum US-Sicherheitsapparat haben soll. Ruit dementierte hingegen, Hami Nepal zu unterstützen, wie Nepali Times am Montag berichtete.
Die Rolle der nepalesischen Armee, die während der Unruhen am 9. September nicht eingriff, ist ebenfalls hervorzuheben. Berichten zufolge forderte der Armeechef, General Ashok Raj Sigdel, Premier Oli zum Rücktritt auf, als letzterer die Armee bat, die Kontrolle über die Hauptstadt zu übernehmen. Die Armee hat langjährige Verbindungen zur hinduistischen Monarchie in Nepal, die durch Massenproteste im Jahr 2006 gestürzt und schließlich 2008 abgeschafft wurde. Sie spielte bei der Einsetzung von Karki als Übergangspremierministerin eine entscheidende Rolle. Sigdel soll aber auch versucht haben, den monarchiefreundlichen Politiker Durga Prasai in den Posten zu befördern.
Weitere Hinweise deuten auf eine Beteiligung Indiens. Erstens unterhält die indische Armee enge Beziehungen zum nepalesischen Militär. Zweitens pflegt die indische hindufaschistische Organisation »Rashtriya Swayamsewak Sangh« (Nationale Freiwilligenorganisation, RSS) seit Jahren enge Beziehungen zur Monarchie Nepals. Seit den 1990er Jahren baut die Hindu Swayamsevak Sangh (HSS, die internationale Organisation der RSS) Ortsgruppen und Kader in Nepal auf. Die HSS kämpft zusammen mit anderen prohinduistischen Gruppen in Nepal gegen die säkulare Politik und für eine Wiederherstellung der hinduistischen Herrschaft im Land.
Auch die prochinesische Ausrichtung von Oli dürfte ein Dorn im Auge der USA und Indiens gewesen sein, die einen stärkeren strategischen Einfluss anstreben. Erst im vergangenen Jahr hatten Nepal und China den Bau der ersten Eisenbahnlinie zwischen den beiden Ländern als Teil der chinesischen Belt and Road Initiative genehmigt. Drei weitere Regierungen in der Region – angeführt von Mahinda Rajapaksa in Sri Lanka, Imran Khan in Pakistan und Sheikh Hasina in Bangladesch – sind in den vergangenen Jahren gestürzt worden. Sowohl Rajapaksa als auch Khan hatten eine prochinesische Ausrichtung. Auch Hasina war im Begriff, eine umfassende strategische Partnerschaft mit China voranzutreiben. Die bangladeschische Expremierministerin beschuldigt die USA, ihre Entmachtung orchestriert zu haben.
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