Nachfolger gesucht
Von Igor Kusar
Am vierten Oktober finden innerhalb der Liberaldemokratischen Partei (LDP) die Wahlen für die Nachfolge des noch amtierenden Vorsitzenden Ishiba Shigeru statt. Die Dauerregierungspartei hält zwar zusammen mit dem Juniorpartner Komeito weder im Unter- noch im Oberhaus eine Mehrheit, doch wird erwartet, dass der neue LDP-Chef mit den Stimmen einer oder mehrerer der größeren Oppositionsparteien zum neuen Premierminister gewählt wird. Das Kandidatenfeld ähnelt dabei dem letztjährigen. Mit Ausnahme von Ishiba, der nicht zur Wiederwahl antritt, haben die damaligen Erstplatzierten ihren Willen kundgetan, ins Rennen um den Posten des LDP-Vorsitzenden einzusteigen. Einige japanische Kommentatoren sprechen denn auch von einem »Déjà-vu« und fragen sich, welche politische Bedeutung dieses eine Jahr bei so wenig Veränderung hatte.
Folgende Kandidaten sind – in der Rangordnung des letztjährigen Wahlergebnisses – im Rennen: die Hardlinerin Takaichi Sanae, der aktuelle Landwirtschaftsminister Koizumi Shinjiro, der jetzige Kabinettschef Hayashi Yoshimasa, der Rechtskonservative Kobayashi Takayuki und der ehemalige LDP-Generalsekretär Motegi Toshimitsu. Als Favoriten gelten Takaichi und Koizumi: erstere ist bei der Parteibasis beliebt, letzterer bei Parlamentskollegen.
Doch bei vielen politischen Beobachtern wie etwa dem früheren Journalisten der Asahi-Zeitung und heutigem Youtuber Sato Akira läuten bei dieser Konstellation die Alarmglocken: Takaichi gilt zwar als erfahrene und versierte Politikerin, doch ihre Klientel erstreckt sich bis weit nach rechts außen. Die japanische Politik würde unter ihrer Ägide einen saftigen Rechtsrutsch erleben, mit vielen Unsicherheiten in der Sicherheits- und Außenpolitik. Das Zusammengehen mit Juniorpartner Komeito – einer Zentrumspartei – wäre gefährdet, was womöglich eine Annäherung an die aufstrebende rechtspopulistische Partei Sanseito zur Folge hätte.
Bei Koizumi liegen die Dinge anders. Der 44jährige Sohn des ehemaligen Premiers Junichiro ist den meisten Japanern bekannt und erfreut sich größerer Beliebtheit. Als Landwirtschaftsminister konnte er kürzlich erst bei der Bekämpfung des hohen Reispreises punkten. Doch seine Unerfahrenheit bereitet Sorgen – er würde, so geht die Befürchtung, schnell zum Spielball der LDP-Granden. Legendär sind auch seine verbalen Schnitzer, die ihn bei der letztjährigen Wahl um eine bessere Platzierung brachten.
So oder so, auf den neuen Chef warten große Aufgaben: Er oder sie muss die LDP bei den Wählern wieder attraktiver machen, Ruhe in die zerstrittene Partei bringen, mit der Opposition zusammenarbeiten und die aktuellen und globalen Krisen meistern, wie etwa die angespannte Sicherheitslage. Die japanische Politik betritt dabei eine schwierige Phase: Verliert die LDP noch mehr an Vertrauen in der Bevölkerung, könnten rechtspopulistische Parteien das Vakuum füllen. Ob die LDP jedoch zu einer Erneuerung fähig ist, die eine Mehrheit der Wähler goutiert, ist mehr als fraglich.
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