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Aus: Ausgabe vom 16.09.2025, Seite 8 / Ansichten

Rabattprofis des Tages: Verfassungsschutzanwärter

Von Nico Popp
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Die bei Einstellung oder Anwerbung ausgegebenen Bändchen und Anhänger bitte stets gut sichtbar tragen, um überall in den Genuss aller Ermäßigungen zu kommen

Am Montag war auf der bedrohlich mit »Im Auftrag der Demokratie!« überschriebenen »Karriere«-Unterseite der Internetpräsenz des Bundesamtes für Verfassungsschutz ein Posten mit der Bezeichnung »Sachbearbeitende (m/w/d) für das Reisemanagement« im Angebot. Man ist da unter anderem zuständig für »Grundsatzfragen« in Reisekostenangelegenheiten. Es winkt ein Jahresbruttogehalt bis 71.636 Euro plus »Nachrichtendienstzulage«. »Ergonomische Büromöbel« gibt es auch.

Da werden viele Leute mit Sehnsucht nach einem ruhigen Büro »beim Staat« mal ihr Glück versuchen. Doch aufgepasst: Es gibt Fallstricke. Zwar weist der Inlandsgeheimdienst per »Karriere-Imagefilm« etwas versteckt darauf hin, dass in dem Laden »die verschiedensten Persönlichkeiten« arbeiten. Aber die Warnung übersieht man schnell. Und im Handumdrehen hat man mit Leuten zu tun, die das beste »Reisemanagement« ans Limit bringen.

Parallel zu der Anzeige verbreitet sich nämlich die Kunde von einer »Reisekostenaffäre« im Amt. Bild klagt an: »Sie rechneten hohe Reisekosten ab, die es in Wahrheit nicht gab!« Um die 30 »Beamtenanwärter« sollen kräftig zugelangt haben. Immer mit der gleichen Masche: Für die regelmäßigen Reisen »in die Heimat« kauften sie Bahntickets ohne Rabatt, stornierten sie postwendend und fuhren dann mit irgendeinem Sparticket. Zur Abrechnung eingereicht wurde das stornierte Ticket, die Differenz eingesteckt. Einzelne Sparfüchse sollen so jeweils mehrere tausend Euro vom Behördenbudget abgezwackt haben. Die Operation »Chorweiler Loch« flog Ende 2024 auf, und Bild versichert, dass ein paar Leute »den Dienst verlassen« mussten.

Zu denken gibt, dass gleich 30 Nachwuchskräfte zielstrebig den Staat/»die Demokratie!« geschröpft haben. Muss die Personalabteilung ihre Auswahlprozesse überprüfen? Oder ist das »Onboarding & Mentoring«, mit dem das Amt in der Anzeige wirbt, so gnadenlos effektiv?

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