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Aus: Ausgabe vom 16.09.2025, Seite 5 / Inland
Handel mit Polen

Wirtschaft im Windschatten

Viertgrößter Absatzmarkt, Rekordinvestitionen: Polen verheißt dem deutschen Kapital noch Grund zum Jubel
Von Michael Merz
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Geschäfte mit Grinsefaktor: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und ihr polnischer Amtskollege Andrzej Domański

Östlich von Oder und Neiße, da geht noch was! Bevor am Dienstag Polens neuer Präsident Karol Nawrocki in Berlin zum Antrittsbesuch erscheint und mit der Forderung nach deutschen Reparationszahlungen für Verdrießlichkeit sorgen wird, hat das Kapital schon vorgesorgt. Schließlich ist Polen mittlerweile der viertgrößte deutsche Absatzmarkt. Weswegen am Montag der Motor zunächst geölt wurde: mit Bier, Currywurst und Jubelbotschaften beim »Deutsch-Polnischen Wirtschaftsforum«. Rund 400 Unternehmer und Lobbyisten kamen, um der Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und ihrem polnischen Kollegen Andrzej Domański zu lauschen. Es ging um Grundsätzliches, die Bürde der US-Handelspolitik und regionale Kooperationen.

Groß sind die Verlockungen. Die Regierung von Donald Tusk investiert 2025 die Rekordsumme von 155 Milliarden Euro in Infrastruktur, Rüstung und Energiewende. Die Wirtschaftsleistung steigt kontinuierlich, Prognosen sehen in fünf Jahren ein Plus von 33 Prozent. Und die US-Giganten sind längst auf den Zug aufgesprungen, Google, Microsoft, Amazon sind im Land vertreten. Hafenterminals in Świnoujście und Gdańsk entstehen, neue Bahnhöfe, eine KI-Fabrik in Poznań – da will auch die BRD ein Stück vom Kuchen. Laut Statistischem Bundesamt sind die Exporte ins Nachbarland im ersten Halbjahr 2025 um immerhin 5,7 Prozent auf 49,4 Milliarden Euro gestiegen, haben gar die nach China übertroffen (41,4 Milliarden). Über 6.000 deutsche Unternehmen – darunter Siemens, Trumpf oder Bosch – sind bereits in Polen, der Maschinenbau etwa setzt vermehrt auf den Produktionsstandort. »Der deutsche Osthandel gewinnt weiter an Zugkraft für die gesamte deutsche Wirtschaft«, hatte die Chefin des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Cathri­na Claas-Mühlhäuser, im August ausgegeben.

Was bleibt, ist die Frage nach Entschädigung für die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Aus Sicht der Bundesregierung ist sie geklärt – Geld gibt’s nicht. Ob sich die Polen mit der Floskel von »sicherheitspolitischer Zusammenarbeit« als Alternative abspeisen lassen, ist offen.

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