Vorschein einer Unbekannten
Von Erich Hackl
Lange vor der Jahrhundertwende, vielleicht noch zu Lebzeiten der 1991 verstorbenen Autorin, fand ich in einer Wühlkiste beim Wiener Volksstimme-Fest Doris Brehms Roman »Eine Frau zwischen gestern und morgen«. Er war 1955 im kommunistischen Globus-Verlag erschienen und handelte von einer etwa vierzigjährigen Frau, Gerda Manner, die mit ihrem Mann Theo eine Buchhandlung in Wien führt. Die beiden sind einander fremd geworden, weil Theo sich den herrschenden Verhältnissen – der Roman setzt im dritten Kriegsjahr, also 1942, ein – angepasst hat, womit er nicht nur Gerda verstört, sondern sich auch die Verachtung der fünfzehnjährigen Tochter Luzie zuzieht. Als Theo zur Wehrmacht einberufen wird, nimmt Gerda zuerst Mira Goldberg, eine von der Deportation bedrohte junge Frau, die aus dem Sammellager in der Kleinen Sperlgasse geflüchtet ist, dann den befreundeten Arzt und Widerstandskämpfer Kurt Bachner bei sich auf. Während es ihr auch dank der Kontakte des Arztes zu anderen Nazigegnern gelingt, Mira vor der Verfolgung zu schützen, schließt sich Kurt im Dezember 1944 den Koralpenpartisanen an, die im Grenzgebiet zwischen Kärnten und der Steiermark gegen Einheiten der Wehrmacht und der SS kämpfen. Er erlebt, schwer verwundet, die Befreiung, stirbt aber Monate später in einem Grazer Krankenhaus, weil das zu seiner Rettung benötigte Penicillin, das Gerda und Mira auf dem Schwarzmarkt beschaffen, sich als gefälscht herausstellt.
Anders als die Inhaltsangabe vermuten lässt, weist der Roman über den zeitlichen Rahmen von Verfolgung und Widerstand hinaus: Das Jahr 1945 ist zwar eine Zäsur, da Mira von nun an nicht mehr um ihr Leben bangen muss, Luzie nach dem unfreiwilligen Einsatz als Stabshelferin des Heeres endlich wieder zur Schule gehen kann und Gerda die Ursache für ihre Erschöpfung und Unruhe nicht länger in den äußeren Umständen, sondern bei sich selbst, in der »dumpfen Verzweiflung« über das Unglück ihrer Ehe, zu finden glaubt. Entscheidend ist jedoch die Beharrlichkeit, mit der sich alle drei Frauen auf Grundlage ihrer während der Naziherrschaft gewonnenen Erfahrungen individuell wie gesellschaftlich positionieren: wider das Patriarchat, wider die restaurativen Tendenzen in der Politik, wider die Doktrin des Eigennutzes, an der, wie viele seiner Landsleute, auch Theo festhält, der reuelos aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt und so weitermacht, wie er es bisher gehalten hat: auf seinen persönlichen Vorteil bedacht, was er vor sich selbst mit der Behauptung rechtfertigt, dass das Leben nichts anderes als »ein immerwährender Krieg« sei. »Dem Harten ging es gut, der Gefühlvolle hatte schon von vornherein verloren. Und wem es gut ging, der konnte dann auch ein anständiger Mensch sein.«
Falsche Bescheidenheit
In einer der wenigen zeitgenössischen Rezensionen, in der kulturpolitischen, von der KPÖ für die »fortschrittliche Intelligenz« bestimmten Zeitschrift Tagebuch, hat Wilhelm Tepser an der Figur des Theo leise Kritik geübt, weil sie »etwas an Schwarzweißtechnik« erinnere, »er ist nur unsympathisch und hat auch nicht einen einzigen einnehmenden Zug«. Bei aller prinzipiellen Zustimmung zu Brehms Werk, das glaubhaft schildere, wie Gerda, Mira und Luzie aus ihrer Gegnerschaft zum Naziregime nach der Befreiung zu »einem neuen, schaffenden Dafürsein« finden, äußerte mit dem Journalisten und Übersetzer Edmund Th. Kauer ein zweiter Kritiker Vorbehalte gegenüber den Hauptfiguren des Romans, die der Autorin »schier unfrisiert aus dem Gestern ins Heute des Buches laufen«. Die Jüdin Mira zum Beispiel, schrieb Kauer in der kommunistischen Parteizeitung Österreichische Volksstimme, möchte man »fast typischer, tragischer in eine tragische Zeit gestellt sehen«. Zwei Einwände, von Tepser und Kauer, die einander aufheben, weil den einen stört, was der andere vermisst: die künstlerische Durchdringung des Stoffs.
Kauer wusste um den autobiographischen Kern des Erzählten, deshalb vermutete er, dass Brehm ihre Erlebnisse unmittelbar verarbeitet hatte. Zu dieser Fehlannahme verführte ihn die falsche Bescheidenheit der Autorin; in dem einzigen größeren Porträt, das zu ihren Lebzeiten erschien – 1955 in der Zeitschrift der kommunistischen »Buchgemeinde« –, beteuerte sie gegenüber der jugoslawisch-österreichischen Lyrikerin Ina Jun-Broda, dass sie »mit dem Roman keine anspruchsvolle künstlerische Leistung vollbringen« und lediglich zeigen wollte, »wie die Hitlerzeit sich in Österreich auf verschiedene Frauen auswirkte – vor allem auf den in meiner Hauptfigur verkörperten Typus: eine ganz unpolitische, in ihrem Familienleben versponnene Frau, die durch die schreckliche Unterdrückung aufgerüttelt und durch menschliche Solidarität über sich selbst und ihr ängstlich-privates Leben hinausgehoben wird«.
Tatsächlich hatte die Autorin aber viel Sorgfalt darauf verwendet, sowohl das Zeitgeschehen während und nach der Naziherrschaft detailreich darzustellen als auch dem Bemühen von Menschen gerecht zu werden, sich über ihre Verhältnisse zu erheben. Auch wenn Brehm mit dem Widerstandskämpfer und der untergetauchten Jüdin, mit Mutter und Tochter Manner und sogar mit Randfiguren wie der verwitweten Hausbesorgerin Dangl – die, wie es im Roman heißt, »alles eher als die gefürchtete und verhasste Witzblattfigur der ihrer Macht bewussten Wiener Hausmeisterin« war – lauter Nazigegner aufbietet, bedeutet das nicht, dass sie sich darin an die in den Nachkriegsjahren verbreitete Beschwichtigungsideologie hält, derzufolge das Gros der Bevölkerung von den Nazis unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verführt wurde und der Rest ohnehin resistent blieb. Gerade deshalb ist die Gestalt von Gerdas Mann so wichtig – weil dieser eben nicht, wie Tepser gemeint hat, alle negativen Eigenschaften in sich vereint, sondern als Psychogramm des Durchschnittsbürgers aktuell geblieben ist: »Theo Manner glaubte nur das, was im Bereich seiner konventionellen Vorstellungswelt lag. Er wusste, dass gegenüber den Juden und den politischen Gegnern eine ›bedauerliche Härte‹ angewandt wurde – er glaubte nicht, dass man Kriegsgefangene von der Ostfront ärger als Tiere behandelte – er glaubte nicht, dass dies die Regel war und den Weisungen von oben entsprach. Er glaubte, was er persönlich miterlebt hatte (sofern es ihm nicht gelang, es gleich zu vergessen). Darüber hinaus glaubte er nur, was ihm in sein Konzept passte.«
Zeitgebunden erscheint mir lediglich die Art, wie Brehm die bis zuletzt unerfüllte Liebe zwischen Gerda und Kurt schildert. Der melodramatische Duktus ist, vermute ich, eher ein Angebot an die Leserinnen von Unterhaltungsliteratur als eine Geschmacksverirrung der Autorin, die als Doris Dierdre Diez 1908 in Dresden geboren wurde. Ihr Vater war der österreichische Kunsthistoriker und Orientalist Ernst Diez (1878–1961), dessen Forschungen zur islamischen Kunst nach wie vor Anerkennung finden, ihre Mutter Nina Beryl Ryder (1874–1951) eine aus Irland stammende Sprachlehrerin. Doris wuchs in Wien auf, war von 1923 bis zu ihrer Matura 1926 Mitglied der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler, trat 1928 im Ensemble der Tanzpädagogin Aimée Carola Kutschera auf und wurde noch im selben Jahr als Schauspielerin an das Wiener (damals noch: Deutsche) Volkstheater engagiert. 1930 wechselte sie an das Deutsche Schauspielhaus in Riga, im Jahr darauf heiratete sie den ebenfalls am Schauspielhaus tätigen Bühnenbildner Johannes Brehm (1907–1995), der auf Lettisch Jānis Jindrikis hieß und unter seinem eigentlichen Namen Joan Brehms von 1945 bis 1985 als Ausstattungsleiter und Theaterarchitekt in České Budějovice und Český Krumlov für seine innovativen Bühnenbauten viel Zuspruch und internationale Beachtung finden sollte.
Gäbe es nicht Doris Brehms ersten, noch unter ihrem Mädchennamen veröffentlichten Roman »Das ebenbürtige Herz« (1945 im Wiener Luckmann-Verlag und unter dem Titel »Der unendliche Sinn« gleichzeitig im Buchklub der Lesergilde erschienen), dann könnte man meinen, dass die Jahre in Riga, dann in Breslau (heute Wrocław), Brieg (heute Brzeg) und Brandenburg, wo Johannes nicht nur als Bühnenbildner, sondern auch als Regisseur tätig war, bei ihr keine Spuren hinterlassen haben. Nur Ina Jun-Broda erwähnt im schon erwähnten »Buchgemeinde«-Porträt Brehms »glückliche, wenn auch kurze Ehe mit einem Bühnenbildner in Riga«, die ganze vier Jahre dauerte. 1935, nach der Scheidung, kehrte die Autorin nach Wien zurück, wo sie kurz vor oder nach der Okkupation Österreichs 1938 von der Firma Last eine Leihbibliothek am Franz-Josefs-Kai 17, wenige hundert Meter vom Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz entfernt, übernahm. In dieser Zeit dürfte der Roman entstanden sein, der auf den ersten Blick nichts mit der »Frau zwischen gestern und morgen« zu tun hat. Seine Schauplätze sind das Baltikum, Berlin und Wien, und im Mittelpunkt steht eine Dreiundzwanzigjährige, die wie die Autorin einen irischen Vornamen trägt, Moira, und sich im Milieu junger lebensfroher Künstler bewegt. Anders als die meisten ihrer Freundinnen, Verehrer und Verwandten strebt sie nicht nach einer gesicherten Existenz; wichtiger erscheint es ihr, »aus dem Gefängnis der Ichhaftigkeit« auszubrechen, um »des Mitfühlens und Mitleidens mit anderen« fähig zu werden und, wie Gerda Manner, vom Erkennen zum Handeln zu gelangen. »Aber zwischen Erkennen und Handeln liegt ein Weg, so weit und steil, dass oft ein ganzes Leben nicht ausreicht, ihn zu Ende zu gehen.«

Nicht vom Weg abkommen
Das Eigenartige an diesem atmosphärisch dichten, trotz der Fülle an gedankenschweren Dialogen beschwingten Entwicklungsroman ist, dass er zwar topographisch genau lokalisiert ist, aber politische oder soziale Zeitumstände – bis auf die »große Arbeitslosigkeit« in Wien – weitgehend ausspart. Nur aufgrund der Datierung eines eingerückten Briefs erfahren wir, dass er im oder um das Jahr 1930 spielt. Durch die Lektüre lassen sich sowohl Rückschlüsse auf Brehms Leben als auch Querverbindungen zu ihrem späteren Roman ziehen. Man erfährt, warum sie den Schauspielberuf aufgegeben hat: weil er, wie Moira befindet, dem Schauspieler »Geist und Nerven und Seele« abverlangt. Durch den Zwang, in der jeweiligen Rolle aufzugehen, bleibe ihm keine Kraft mehr für sein Privatleben. Man ahnt auch, warum sich die Autorin von ihrem Mann (der im Roman den Namen Alf Raven trägt) getrennt hat – wegen ihres bzw. Moiras Empfindens, in dieser Beziehung sich selbst abhanden gekommen zu sein: »Du hast deine ganze Schwere an mich gehängt, du hast mich zurückgehalten auf dem Weg, den ich gehen sollte. Du hast mich verwirrt, so sehr, dass ich den Weg kaum noch sehe.«
Vergnüglich liest sich die Passage, in der Brehm aus Moiras Warte die vielfältige Kundschaft einer Leihbücherei schildert, die immer wieder für Überraschungen gut war, weil ihre literarischen Vorlieben selten dem Alter und dem sozialen Status entsprachen: promovierte ältere Herren, die seichte Kolportage verlangten, junge Mädchen mit dickleibigen Biographien, arbeitslose Burschen, bei denen nie vorherzusehen war, ob sie sich für Wildwestromane oder komplizierte wissenschaftliche Werke entscheiden würden. Da gab es außerdem die Sonntagsleser, die für ein Buch vier Wochen brauchten, die Nachtleser, die an Schlaflosigkeit litten und fast täglich Bücher tauschten, die Pedanten, die jedes Buch fertiglasen, auch wenn es ihnen nicht gefiel, und die Anspruchsvollen, »die fünf Bücher begannen und wieder zurückbrachten, ehe sie eines beendeten«. Moira lernte in ihrem neuen Beruf schrullige Leute kennen, »zum Beispiel die Frau Hofrat Oberbauer, die den Namen Bernard Shaw wie ›Schaf‹ aussprach und nach langem Herumblättern in anspruchsvollen Bänden zuletzt doch mit einem Kriminalroman nach Hause ging«, oder den Herrn Dr. Wichtel, der kein von einer Frau geschriebenes Buch lesen wollte. »Für ihn suchte Moira immer Romane weiblicher Autoren mit männlichen Decknamen hervor. Da diese ihm meist besonders gut gefielen, verriet sie ihm einmal lächelnd ihren Betrug, worauf er so wütend wurde, dass er sein Abonnement kündigte.«
Zu ihren Eltern scheint das Einzelkind Doris ein gutes Verhältnis gehabt zu haben. Von ihrer Mutter, hat sie Jun-Broda erzählt, habe sie außer Sprachgefühl und sozialem Gewissen »einen fanatischen, fast naiven Abscheu vor Opportunismus, Bequemlichkeit und Prüderie« mitbekommen. Und die Korrespondenz zwischen ihr und ihrem Vater, von der freilich nur Briefe aus den Jahren nach 1945 erhalten geblieben sind, ist frei von Misstönen und Meinungsverschiedenheiten. Das mag überraschen, weil Ernst Diez bereits im September 1937 der NSDAP beigetreten war. Zweieinhalb Jahre später wurde er an der Universität Wien zum außerplanmäßigen Professor für Kunstgeschichte des Orients ernannt. Von 1943 bis 1949 hatte er den Lehrstuhl für islamische Kunst an der Universität Istanbul inne. Wie der kommunistische Architekt Wilhelm Schütte, mit dem er in Istanbul zeitweise zusammenlebte, wurde Diez nach der Kriegserklärung der Türkei an Deutschland Anfang 1945 in Kırşehir interniert. Dort, in der anatolischen Provinzhauptstadt, verfasste er bis zu seiner Entlassung 1946 ein Buch, in dem er die armenischen Einflüsse auf die türkische Kunst nachwies. Nach heftigen Protesten türkischer Chauvinisten, die sich an diesem Werk entzündeten, wurde er 1948 von der Universität Istanbul entlassen und kehrte zwei Jahre später nach Wien zurück, wo er sich bis an sein Lebensende mit Doris eine seinerzeit arisierte Wohnung teilte. »Ein netter Mensch und kein Nazi, aber doch P. G.«, so hat ihn seine jüdische Untermieterin Hermine Müller-Hofmann charakterisiert, und Doris Brehm schrieb nach seinem Tod an die Verlegerin Margarete Rohrer, dass er im Umgang mit ihr »die Gefahr irgendwelcher Differenzen vermeiden wollte (wie das auch sonst überall sein Bestreben war)«.
Das U-Boot-Referat
1944 stieß Doris Brehm zur kommunistischen Widerstandsgruppe um Otto Tropper, der bis 1934 Betriebsratsobmann der Wiener Lagerhäuser gewesen war, und den ehemaligen sozialdemokratischen Nationalratsabgeordneten und Agrarsprecher Laurenz Genner. In dieser Gruppe leitete sie in Absprache mit Genner das »U-Boot-Referat«, das sich um untergetauchte Juden, Deserteure und Zwangsarbeiter kümmerte. Ihre Leihbücherei diente den Mitgliedern der Widerstandszelle für Zusammenkünfte und als Ort, an dem die Hilfsaktionen für die Verfolgten geplant und koordiniert wurden. Unbekannt, wie viele Menschen dank ihrer Bemühungen gerettet werden konnten. Unbekannt ist auch die Gesamtzahl der Juden, die sich in Wien versteckt hatten, um der Deportation zu entgehen; die Schätzungen weichen weit voneinander ab: 600, 800, 1.000, 1.500 … Von diesen hätten nur hundert oder hundertfünfzig, nein: knapp tausend die Nazizeit überlebt.
Schon bald nach der Befreiung, am 5. Mai 1945, erinnerte Doris Brehm in der Tageszeitung Neues Österreich an die »Wiener ›U-Boote‹ und ihre Schicksale«. Die eigene Mitwirkung an den Rettungsaktionen erwähnte sie mit keinem Wort, nannte überhaupt keine Namen, zählte hingegen die Probleme auf, die sich dabei stellten: die seelische Belastung aller Beteiligten aufgrund ständiger Todesgefahr; die Ernährungsfrage, da mangels ausreichender Bezugskarten für Lebensmittel und Textilien die Verpflegung für die Versteckten im Schleichhandel besorgt werden musste; Geburten und Todesfälle, die zu verheimlichen waren; die Behandlung von Schwerkranken; die Luftangriffe ab März 1944, durch die auch Häuser zerstört wurden, in denen die Untergetauchten versteckt waren, so dass in aller Eile Ausweichquartiere in Villen, Kellern von Zinskasernen oder Schrebergartensiedlungen gefunden werden mussten.
Seit April 1945 Mitglied der KPÖ, arbeitete Doris Brehm, deren Leihbücherei in den letzten Kriegstagen zerstört worden war, als Sekretärin in der Redaktion des Neuen Österreich. 1947 wechselte sie zum KP-nahen, formell unabhängigen Schönbrunn-Verlag, der von Hans Eberhard Goldschmidt geleitet wurde. Goldschmidt war in Moskau von 1932 bis 1937 Redakteur der Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter gewesen, dann nach Wien zurückgekehrt und im September 1938 über die Schweiz nach England geflüchtet. Unter seiner Ägide und mit Brehm als einziger Lektorin erschienen nicht nur äußerst erfolgreiche, bis heute immer wieder neu aufgelegte Kinderbücher von Mira Lobe und Karl Bruckner, sondern auch, in Brehms Übersetzung, Leo Tolstois »Krieg und Frieden« und Émile Zolas »Germinal«. Überhaupt hat Brehm, auch später noch und für andere Verlage, zahlreiche Romane übersetzt, von Howard Fast, Arthur Miller, Erskine Caldwell, Colette und Blaise Cendrars. Im Globus-Verlag veröffentlichte sie unter ihrem Mädchennamen und als Koautorin zwei Ratgeberbücher, von denen ihr das eine, zum Thema Haushalt, wohl besonders am Herzen lag, hatte ihre Mutter sie doch schon als Kind dazu angehalten, sich für die »Befreiung der Frau aus der Sklaverei des Haushalts« einzusetzen.
Die Zukunft sichern
Die Gleichberechtigung der Frau; die Frau in der Politik; die dringend notwendige Reform des Ehe- und Familienrechts nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung; die Überlastung der berufstätigen Mutter; der »Kinsey-Report« und Simone de Beauvoirs »Das andere Geschlecht« – von diesem Themenkomplex, dem sie sich in zahlreichen Aufsätzen, Rezensionen und Debattenbeiträgen widmete, war es nur ein kurzer Weg zu Brehms zweitem Anliegen, »den Frieden der Zukunft, also auch das ruhige Privatleben der Zukunft, zu sichern«. 1950 gab sie im Auftrag des Österreichischen Friedensrates einen schmalen Band »Friedenslyrik« heraus; fünf Jahre später wurde sie für die Novelle »Das Wichtige« in der Sparte Erzählungen mit dem ersten Preis des Charlie-Chaplin-Friedensfonds ausgezeichnet. Die Novelle spielt in Paris, im Jahr 1887, gipfelt in einem Streitgespräch zwischen Alfred Nobel und Bertha von Suttner über Nobels pessimistische These, dass Kriege nur durch ein mittels Massenvernichtungswaffen hergestelltes Gleichgewicht des Schreckens verhindert werden können, und endet mit Suttners Entschluss, einen Roman zu schreiben, der ein einziger leidenschaftlicher Appell sein soll, »die Waffen niederzulegen«. Mit dieser Geschichte schloss Brehm an ihre Kritik der bisherigen Suttner-Biographien an, die sie im Jahr zuvor, 1954, im Tagebuch veröffentlicht hatte. Diese hätten, schrieb sie, die Wurzeln für Suttners pazifistischen Roman in einem unmittelbaren Kriegserlebnis ihrer Jugend zu finden versucht. Tatsächlich sei ihr der Impuls dazu aber erst im Alter von 44 Jahren gekommen, eben in Paris, nach dem Wiedersehen mit Alfred Nobel.
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