Nicht einschüchtern lassen
Von Volker Hermsdorf
Das Urteil gegen Jair Bolsonaro ist ein historischer Bruch mit Brasiliens Vergangenheit. Erstmals in der Geschichte des Landes sind ein ehemaliger Präsident und hochrangige Militärs wegen eines Putschversuchs verurteilt worden. Die Symbolfigur der extremen Rechten soll nach dem Spruch des Obersten Gerichtshofs für 27 Jahre ins Gefängnis. »Es ist das erste Mal, dass ein Putschversuch nicht vergeben, sondern verurteilt wird«, sagt der Politologe Rudá Ricci. Damit markiere die Entscheidung eine klare Zäsur: Wer putscht, wird eingesperrt.
In Lateinamerika entfaltet dieses Urteil eine Signalwirkung, die weit über Brasilien hinausreicht. Jahrelang waren es linke und progressive Politiker, die durch juristische Manöver – das sogenannte Lawfare – kaltgestellt oder gestürzt wurden: Lula da Silva, Dilma Rousseff, Rafael Correa, José Manuel Zelaya, Fernando Lugo, Cristina Fernández de Kirchner, Pedro Castillo und viele andere. Konservative Eliten und ihre westlichen Verbündeten nutzen Justiz und Medien, um fortschrittliche Präsidenten zu stürzen. Brasiliens Oberste Richter haben dieses Drehbuch nun umgeschrieben. Jetzt traf es einen Vertreter der Rechten, und zwar nicht wegen konstruierter Vorwürfe, sondern wegen erwiesener Planung eines Staatsstreichs. Für die beteiligten Militärs ist das Urteil darüber hinaus eine Lektion. Zum ersten Mal wurden Vier-Sterne-Generäle von einem Zivilgericht verurteilt.
Erste Reaktionen aus Washington zeigen, dass die Trump-Administration auch das größte und bevölkerungsreichste Land Südamerikas lediglich als seinen Hinterhof betrachtet. Während die USA das Nachbarland Venezuela mit Militärschlägen bedrohen, kündigte Außenminister Marco Rubio als Antwort auf das Bolsonaro-Urteil »weiteren Strafmaßnahmen« gegen Brasilien an. Schon zuvor hatte die US-Regierung deswegen 50-Prozent-Zölle auf brasilianische Exporte verhängt. Die Botschaft ist eindeutig: Wenn ein rechter Verbündeter fällt, mobilisieren die USA ihre ökonomische und militärische Macht. Doch die Replik aus Brasília fiel deutlich aus: Man werde sich nicht einschüchtern lassen, die Souveränität sei unantastbar. Unterstützung erhielt Staatschef Lula da Silva von Kolumbiens Präsident Gustavo Petro: »Jeder Putschist muss verurteilt werden. So lauten die Regeln der Demokratie.« Boliviens Präsident Luis Arce empörte sich über die »kolonialistische Einmischung« der USA.
So bedeutend das Urteil gegen den Faschisten Bolsonaro auch ist: ob damit tatsächlich die Ära der Straflosigkeit für Putschversuche von rechts beendet wurde, ist ungewiss. Washington und die rechten Eliten Lateinamerikas haben Niederlagen noch nie akzeptiert. Zwar schwächt das Urteil den »Bolsonarismus«, doch der Verurteilte bleibt trotz allem eine Figur mit Einfluss. Seine Anhänger werden Amnestie fordern, er selbst wird versuchen, einen Erben aufzubauen. Und die USA haben gerade erst damit begonnen, ihren Hinterhof zurückzuerobern.
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