Gerupfter Gesetzentwurf
Von Kristian Stemmler
Der Weg gen Osten kann lang sein. Und da die BRD »Drehscheibe« der NATO für Truppenverlegungen Richtung Russland sein soll, muss auch die hiesige Infrastruktur »kriegstüchtig« werden. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung – auch mit Zustimmung der Linkspartei im Bundesrat – Kreditermächtigungen in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro ins Grundgesetz geschrieben, von denen 100 Milliarden den Ländern und Kommunen zufließen sollen. Das entsprechende »Länder-und-Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetz« hat der Bundestag am Freitag debattiert.
Von Bildungs- und Betreuungs- bis zu Verkehrs-, Wärme- und Wissenschaftsinfrastruktur werden im Gesetz insgesamt neun Bereiche genannt. Auch für Bevölkerungsschutz und Krankenhaus-, Rehabilitations- und Pflegeinfrastruktur sollen Mittel bereitgestellt werden. Förderfähig sollen Investitionen ab einer Summe 50.000 Euro bis Ende 2042 sein, wenn diese wiederum bis Ende 2036 von den zuständigen Stellen des Landes bewilligt werden.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) stellte die Finanzspritze im Parlament als soziale Wohltat dar: »Wir räumen einen Investitionsstau beiseite, der jahrelang Kinder, Vereine und Ehrenamtliche buchstäblich ausgebremst hat.« Es sei »höchste Zeit, dass der bröckelnde Putz, die gesperrten Bäder und die kaputten Bolzplätze endlich verschwinden aus unserer Landschaft«, führte Klingbeil aus. Die 100 Milliarden Euro seien »ein wesentlicher Beitrag dafür, unser Land stark zu machen«. Eine klare Erwartung sei zudem, dass ein Großteil der Gelder bei den klammen Kommunen ankomme. Der Bund wolle in den nächsten Wochen Maßnahmen beschließen, um das Problem der hohen Altschulden der Kommunen anzugehen. CDU-Politiker Mathias Middelberg flankierte die Werberede des Vizekanzlers und sprach vom »konkretesten und besten Beitrag, um die Infrastruktur gerade unmittelbar vor Ort zu stärken«.
Gegenüber junge Welt kritisierte Luigi Pantisano (Die Linke), Mitglied im Verkehrsausschuss, am Freitag, dass die Regierung »die enorme Verantwortung gegenüber der kommunalen Daseinsvorsorge und verstärkt den berechtigten Frust der Bürger über marode Brücken und Schulen« verkenne. Tatsächlich sei das, was die Regierung vorgelegt hat, ein »Nullsummenspiel«, kritisierte der Linke-Abgeordnete Christian Görke im Plenum. Die ebenfalls von der Bundesregierung beschlossene Unternehmenssteuersenkung samt geplanter Senkung der Körperschaftssteuer würde ihm zufolge bei Ländern und Kommunen bis 2037 zu »massiven Steuermindereinnahmen« von fast 100 Milliarden Euro führen. Sebastian Schäfer von Bündnis 90/Die Grünen vermisste dagegen lediglich Regelungen, die sicherstellen, dass Geld aus dem »Sondervermögen« auch ja in eine klimafreundliche und zukunftsfähige Infrastruktur investiert werde. Michael Espendiller (AfD) störte sich daran, dass die Koalition Probleme ausschließlich mit neuen Schulden zu lösen versuche – und forderte die Kürzung staatlicher Ausgaben.
Selbst aus dem kapitalnahen Ifo-Institut wurde das Werbeversprechen der Koalition von Union und SPD zurechtgestutzt, wenn auch aufgrund anderer Interessen. Niklas Potrafke erklärte am Freitag laut Nachrichtenagentur Reuters, es sei zu befürchten, dass die 100 Milliarden Euro nur in geringem Maße für zusätzliche Investitionsprojekte verwendet würden. Er warnte vor einer »schuldenfinanzierten Ausweitung des Sozialstaates«, so die neoliberale Kritik. Der Bundesrechnungshof hatte zuvor in einem Gutachten ebenfalls kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf gelassen. Dieser sei »substanzlos«, heißt es in dem Papier, aus dem der Spiegel am Dienstag zitierte. Vorgaben, denen zufolge die Mittel von Ländern und Kommunen nur zusätzlich zu ohnehin schon geplanten Maßnahmen ausgegeben werden dürften, seien entfallen. Der Entwurf müsse daher nachgebessert werden.
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