Gegen Krieg und Doppelmoral
Von Hagen Bonn und Carmela Negrete, Berlin
An einer Kundgebung unter dem Motto »Stoppt den Völkermord in Gaza! Keine Waffen in Kriegsgebiete! Frieden statt Wettrüsten!« haben am Samstag am Brandenburger Tor in Berlin mehrere tausend Menschen teilgenommen. Die Veranstalter sprachen von 22.000 Teilnehmern, die Polizei will 12.000 gezählt haben. An einer Gegenkundgebung vor der US-Botschaft beteiligten sich etwa 50 Personen, die israelische und ukrainische Flaggen schwenkten.
Aufgerufen zu der Friedenskundgebung hatten unter anderem die BSW-Kovorsitzende Sahra Wagenknecht, der Schauspieler Dieter Hallervorden, die Musiker Peter Maffay und Massiv sowie die Publizistin Gabriele Krone-Schmalz und der Moderator Daniel Aminati. Mit Videobotschaften wandten sich der Historiker Moshe Zuckermann, der Musiker Roger Waters und der Ökonom Jeffrey Sachs an die Demonstranten. Die Aufrufenden forderten die Bundesregierung auf, »sich aktiv und glaubwürdig für Friedensverhandlungen einsetzen – sowohl im Nahen Osten als auch in der Ukraine«.
Das Publikum war recht bunt gemischt. Neben vielen Teilnehmern aus der klassischen Friedensbewegung waren diesmal zahlreiche vorwiegend jüngere Menschen mit einem migrantischen Hintergrund dabei – in dieser Kombination ein immer noch eher seltenes Bild. Viele Fahnen mit der Friedenstaube waren zu sehen, daneben auch viele palästinensische Flaggen. Immer wieder war der Ruf »Free Palestine« zu hören. Die Berliner Polizei war am Rande der Veranstaltung dicht an Absperrungen präsent, agierte aber anders als bei früheren palästinasolidarischen Veranstaltungen in der Hauptstadt eher zurückhaltend. Helme und Schlagstöcke kamen nicht zum Einsatz.
Einer der Demonstranten war Sarhan aus dem Jemen; er lebt seit Jahren in Deutschland. Gegenüber jW sagte er: »Egal, woher wir sind, heute sind wir alle Palästinenser!« Mehmet hat Familie in der Türkei. Er selbst ist in Deutschland geboren. Seine Tante, erzählte er, sagte kürzlich am Telefon: »Gaza ist kein Krieg, es ist Völkermord, es ist so schlimm, so grausam.« Seldas Familie stammt ebenfalls aus der Türkei, sie ist hier geboren. Sie hat den Aufruf zu der Demo auf einer Online-Plattform gesehen, deshalb war sie hier. »Ich möchte Frieden für Gaza, das ist das Wichtigste«, sagte sie. Der Berliner BSW-Vorsitzende Alexander King zeigte sich gegenüber jW zufrieden mit der Demonstration, »die niemand in der Politik ignorieren kann«.
Wagenknecht dankte in ihrer Rede allen Teilnehmern. Man habe im Vorfeld gemerkt, dass diese Veranstaltung vielen Akteuren ein Dorn im Auge sei. Die Kundgebung richte sich gegen die »menschenverachtenden Kriege auf dieser Welt« und gegen »Politiker und Waffenlobbyisten, die uns mit ihren Lügen und ihrer Doppelmoral für dumm verkaufen wollen«.
Mit Blick auf Gaza sagte sie im Namen der Aufrufenden: »Auch wir verurteilen das schreckliche Massaker der Hamas und die Geiselnahmen.« Nichts davon rechtfertige aber, »zwei Millionen Menschen im Gazastreifen, die Hälfte davon Kinder, wahllos zu bombardieren, zu ermorden, auszuhungern und zu vertreiben«. Die BSW-Chefin fragte, »wie verroht und sadistisch« man sein müsse, um an Ausgabeestellen für Lebensmittel auf hungernde Kinder zu schießen. Die Bundesregierung griff Wagenknecht für ihre »bedingungslose Treue« zu der ultrarechten israelischen Regierung an. Man sei auch hier, um »die unerträgliche Doppelmoral des deutschen Mainstream in Politik und Journalismus« anzuklagen. Die wichtigste Lehre aus der deutschen Geschichte laute »Nie wieder Krieg«. Merz und Pistorius aber stünden für »Nie wieder Krieg ohne uns«. Wagenknecht bekräftigte, dass eine starke Friedensbewegung notwendig sei, um den Frieden im Gazastreifen und auch in Europa zu sichern.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und den in diesem Zusammenhang von verschiedenen Akteuren verfolgten Eskalationskurs warnte Wagenknecht vor einem »Spiel mit dem Feuer«. »Wir lassen uns nicht einreden, mit mehr Soldaten, mehr Drohnen, mehr Panzern könnten wir allen Ernstes im Krieg gegen eine Atommacht bestehen«, sagte sie. Ein solcher Krieg wäre das »Ende unserer Städte, das Ende unserer Familien, das Ende unserer Zukunft, das Ende von Deutschland, das das Hauptschlachtfeld eines solchen Krieges wäre«.
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