Gegründet 1947 Freitag, 12. September 2025, Nr. 212
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 12.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Spanien

Work-Life-Balance bleibt aus

Katalanische Liberale um Puigdemont stimmen gemeinsam mit Rechten gegen Arbeitszeitverkürzung auf 37,5 Stunden pro Woche
Von Carmela Negrete
9.JPG
Will die spanische Rechte Beschäftigten nicht gönnen: Mehr Pausen an einem heißen Arbeitstag (Lleida, 13.8.2025)

Es sollte die wichtigste Maßnahme der spanischen Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten (PSOE) und dem linken Bündnis Sumar werden: 37,5 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten, bei vollem Lohnausgleich. Doch daraus wurde nichts: Am Mittwoch stimmten 170 der 348 Abgeordneten dafür, 178 dagegen. Pikant dabei ist, dass die Reform mit den sieben Stimmen der liberalen Junts per Catalunya (JxCat) eine Mehrheit gefunden hätte. Doch die Partei des Expräsidenten der katalanischen Autonomieregierung Carles Puigdemont stimmte zusammen mit dem rechtskonservativen Partido Popular (PP) und den Ultranationalisten von Vox dagegen.

»Sie und ich repräsentieren etwas, das die Geschichte bewegt. Es heißt Klassenkampf, und sie stehen für das Kapital«, sagte die Arbeitsministerin und Vizepräsidentin Yolanda Díaz, ehemalige Kommunistin, in Richtung der Sprecherin von Junts, Míriam Nogueras. Sumar legte am Mittwoch 100.000 Unterschriften vor, die sie für das Gesetz auf der Straße gesammelt hatte – vergeblich. Die Sprecherin von Junts hatte bereits im Vorfeld in einer Pressekonferenz die Regierung beschuldigt, nicht gegen große Konzerne, sondern »kleine und mittlere katalanische Unternehmen« vorgehen zu wollen, die ein solches Arbeitszeitmodell angeblich nicht stemmen können. Díaz kritisierte, dass die katalanischen Liberalen die Wirtschaftspolitik der PP vertreten würden: »Sie glauben, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung zu repräsentieren, und ich sage Ihnen, dass das nicht wahr ist. Heute vertreten sie die Interessen der reaktionärsten Sektoren des spanischen Unternehmerverbands.«

Tatsächlich arbeiten schon jetzt mehr als neun Millionen Menschen in Spanien 37,5 Stunden die Woche, weil das in vielen Tarifverträgen festgeschrieben ist. Zwölf Millionen weitere Beschäftigte hätten von der Reform profitiert, schätzt die spanische Regierung. Nicht nur wegen der geringeren Arbeitszeit – weil wegen des vollen Gehaltsausgleichs der Stundenlohn gestiegen wäre, hätten Angestellte, die ohnehin weniger als 40 Stunden pro Woche arbeiten, auch ein höheres Einkommen gehabt. Unter ihnen viele prekär beschäftigte Frauen in Teilzeit. Außerdem waren in dem gekippten Gesetzespaket mehr Kontrollen und härtere Sanktionen gegen Firmen vorgesehen, die gegen die maximale Arbeitszeit verstoßen, sowie eine Stärkung des Rechts auf digitale Unerreichbarkeit während der Freizeit.

Für Mehrheiten im Parlament war die Minderheitskoalition von Anfang an auf die Stimmen weiterer Parteien angewiesen – für jedes Gesetz, selbst für die Wahl von Pedro Sánchez (PSOE) zum Ministerpräsidenten. Dabei unterstützten ihn neben Junts auch andere regionale Parteien, etwa aus dem Baskenland. Im Gegenzug beschloss Sánchez eine Amnestie für die verfolgten katalanischen Politiker, die 2017 ein von der damaligen Regierung in Madrid untersagtes Unabhängigkeitsreferendum angeführt hatten.

Derweil haben die Gewerkschafter Unai Sordo, Generalsekretär der Comisiones Obreras (Arbeiterkommissionen), und Pepe Álvarez, Generalsekretär der Unión General de Trabajadores, landesweite Mobilisierungen aus Protest gegen die Ablehnung der Reform angekündigt. Am Mittwoch demon­strierten sie bereits vor dem Kongress. »Dieser Gesetzentwurf stellt einen zaghaften, aber unverzichtbaren Schritt dar, denn es geht nicht nur um die Verkürzung der Arbeitszeit, sondern um ein grundlegendes Umdenken in der Arbeitsarchitektur, um den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, um eine Debatte, die die Gesellschaft nicht länger aufschieben kann«, schrieben Sordo und Álvarez in eine Kolumne am Dienstag in der Tageszeitung El País. Sie wollen weiter dafür werben, ebenso der PSOE: Die Regierung will über das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode erneut abstimmen lassen.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Demonstranten gegen Massentourismus am Sonntag in der portugiesi...
    18.06.2025

    Demonstrationen gegen Massentourismus

    Anwohner protestieren in fünfzehn europäischen Städten für eine Regulierung des Tourismusgeschäfts und bezahlbare Mieten
  • Draußen protestieren die Beschäftigten der Mobilfunkbranche. Doc...
    01.03.2016

    800 Kilometer gegen Prekarität

    Beschäftigte von Telefónica-Subunternehmen machen mit Spendenlauf auf schlechte Arbeitsbedingungen aufmerksam und rufen zu Vernetzung auf

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro