Ermittlerbesuch bei »Herrn Krah«
Von Marc Bebenroth
Die schmallippigen Äußerungen seiner Partei zu dem Vorgang dürften Maximilian Krah wenig überrascht haben. Nachdem ihm am Donnerstag morgen die parlamentarische Immunität entzogen wurde, haben Ermittler das Bundestagsbüro des AfD-Abgeordneten in Berlin sowie Wohn- und Geschäftsräume von ihm in Dresden auf den Kopf gestellt. Auch Büros in Brüssel wurden von belgischen Beamten mit Unterstützung von Eurojust, der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden mitteilte. Die Razzien an mehreren Orten gegen Krah gehen zurück auf ein in Dresden geführtes Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche. Dabei soll es um mutmaßliche Zahlungen aus chinesischen Quellen an Krah in seiner Zeit als EU-Abgeordneter gehen. Er bezeichnete die Vorwürfe am Donnerstag auf X als »absurd, konstruiert und rein politisch motiviert«.
In dem Zusammenhang hat die Justiz auch einen früheren Assistenten aus Krahs EU-Abgeordnetenbüro am Wickel. Vor dem OLG muss sich der Deutsche Jian G. wegen angeblicher Spionage für die Volksrepublik verantworten. Dessen Verteidigung hatte bereits zum Prozessauftakt den Vorwurf zurückgewiesen. Krah hatte in der vergangenen Woche als Zeuge in dem Prozess angegeben, nichts von Agententätigkeit oder einer Mitgliedschaft seines ehemaligen Mitarbeiters in der KP Chinas gewusst zu haben.
Die Aufhebung von Krahs Immunität erfolgte einstimmig. Das Video der innerhalb von gut anderthalb Minuten erledigten Abstimmung zeigt zwar nicht, wer von den anwesenden Abgeordneten dafür die Hand hob. Aber die zu dem Zeitpunkt knapp 20köpfige AfD-Fraktion stimmte erkennbar nicht dagegen oder enthielt sich. Der Verlust seiner Immunität sei »die logische Folge der gegen mich geführten Ermittlungen«, schrieb Krah auf der Plattform X. Die Durchsuchung seines Büros sei »der Versuch einer Einschüchterung, gegen den ich mich wehren werde«. Der Fall Krah erinnert an eine EU-weit koordinierte Geheimdienstaktion, deren Ergebnis Vorwürfe gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron waren, dem das Annehmen von Zahlungen aus – demnach dubiosen – russischen Quellen vorgeworfen worden war.
Die AfD-Parteivorsitzenden reagierten am Donnerstag äußerst zurückhaltend. In einer gemeinsamen Stellungnahme bezeichneten Alice Weidel und Tino Chrupalla die Entscheidung des Bundestags und die Razzien gegen »Herrn Krah« als »schwerwiegenden Vorgang«. Als AfD-Fraktion erwarte man »einen raschen Abschluss der Ermittlungen sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse«. Ende der Durchsage. In NRW ist schließlich der Kommunalwahlkampf in der finalen Phase.
Als Spitzenkandidat hatte Krah im EU-Wahlkampf erfolgreich vor allem auf Stimmen aus der jungen Wählerschaft gesetzt. Zur Belastung für die AfD-Spitze wurde Krah, nachdem er in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica der Aussage widersprach, wonach alle SS-Männer Verbrecher gewesen seien. Zur Schadensbegrenzung kurz vor der EU-Wahl erteilte die Partei Auftrittsverbote. Andere Rechtsaußenparteien zeigten sich verstimmt, da zu deren Anschlussfähigkeit an konservative Kräfte wie die Christdemokraten das Vermeiden von Einlassungen zur Nazizeit gehört. Schließlich folgte der Rauswurf sämtlicher AfD-Abgeordneter aus der Fraktion »Identität und Demokratie« im EU-Parlament.
Wegen eben solcher Nazi-Bezüge hat übrigens der Thüringer AfD-Chef am Donnerstag eine juristische Niederlage kassiert. Björn Höcke ist damit rechtskräftig wegen des Verwendens der verbotenen SA-Parole »Alles für Deutschland« verurteilt. Der Bundesgerichtshof wies die Revisionen gegen zwei Urteile zurück. Die AfD setzt seit längerer Zeit zur Unterstützung ihrer Parteivorsitzenden Weidel auf die gleichklingende Losung »Alice für Deutschland«.
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