»Der öffentliche Druck hatte Erfolg«
Von Tom Beier, San Salvador
Im Februar 2025 haben wir schon einmal miteinander gesprochen. Damals war Ihr Vater, Atilio Montalvo, ehemaliger Politiker der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) und Mitunterzeichner des UN-Friedensabkommens 1992, unter der konstruierten Anklage, einen Anschlag vorbereitet zu haben, noch inhaftiert. Inzwischen wurde er in die »bedingte Freiheit« entlassen. Wie kam das, und was bedeutet das?
Diese juristischen Entscheidungen sind kompliziert und werden auch nicht erklärt. Er ist eine öffentliche Person, und sein Fall erregte öffentliche Aufmerksamkeit.
Wurde denn sein Fall juristisch neu bewertet?
Nein, sie haben gar nichts neu bewertet. Dass er freikam, ist ein Erfolg des öffentlichen Drucks. Im Juni kam die Information aus dem Gefängniskrankenhaus, dass mein Vater immer wieder kurzzeitig die Erinnerung verlor – wie kleine Komata. Sein Zustand verschlechterte sich. Am 3. Juli erhielten wir dann die Nachricht vom Richter, dass man bei ihm Anfälle von Übelkeit festgestellt hatte. Seine Vitalwerte sanken, und er wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Dann wurde er in ein öffentliches Krankenhaus verlegt. Die Lage war unübersichtlich, aber es bestand die Gefahr eines Infarkts.
Konnten Sie ihn besuchen?
Ja, seitens der Ärzte war das kein Problem. Aber alle Krankenhäuser werden von der Nationalpolizei überwacht. Er befand sich in einem kritischen Zustand, hatte aber einen starken Überlebenswillen. Klar war: Wenn er ins Gefängniskrankenhaus zurück muss, würde er sterben. Das haben wir über Cofappes in den sozialen Netzwerken kommuniziert. Dann haben wir eine Pressekonferenz organisiert. Dabei haben uns die Organisationen der Bürgerkriegsveteranen, Opferverbände und die Nationaluniversität unterstützt. Das hat letztlich zu seiner Freilassung geführt.
Was heißt »bedingte Freiheit«?
Er darf zwar das Haus verlassen, aber nur, um ins Krankenhaus zu gehen. Er darf nur Familienbesuch empfangen. Polizei ist bisher nicht auf der Straße vor seinem Haus postiert.
Bedeutet das Nachgeben in diesem Fall eine allgemeine Haltungsänderung der Regierung gegenüber politischen Gefangenen?
Nein, das war nur auf den öffentlichen Druck zurückzuführen und auf einige internationale Stellungnahmen. Das hatte ein Echo im Justizsystem. Sie wollten sich selbst retten und ihre Hände in Unschuld waschen. Nicht, dass sie für den Tod meines Vaters verantwortlich gemacht werden könnten. Aber der juristische Prozess geht weiter.
Was können wir in Deutschland tun, um die politischen Gefangenen und Verfolgten zu unterstützen?
Vor allem Öffentlichkeit herstellen. Über die Zustände in unserem Land berichten, die für Oppositionelle immer prekärer werden.
Silvia Montalvo ist aktiv im »Komitee der Angehörigen von politisch Verfolgten und politischen Gefangenen in El Salvador« (Cofappes).
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