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Aus: Ausgabe vom 12.09.2025, Seite 2 / Inland
12,2 Prozent mehr Insolvenzen

Mehr Firmenpleiten als im Vorjahr

Immer mehr etablierte Unternehmen geraten in Schieflage
Von Susanne Knütter
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Ein Eindruck der Pleitewelle: Leerstand in Geschäftsräumen

Nur ein flüchtiger Blick in die Lokalpresse, und man bekommt einen Eindruck von der Pleitewelle, die durch die Republik rollt. Im sächsischen Radeburg schließt Ende November der seit über 90 Jahren bestehende Glashersteller Doering Glass mit 120 Beschäftigten. In Leipzig wurde Anfang September für das noch ältere Stahl- und Hartgusswerk Bösdorf Insolvenz angemeldet. Obwohl die dort produzierten Gussteile weltweit gefragt sind. Und obwohl das Unternehmen mit 250 Beschäftigten zur Dihag-Gruppe, einem führenden europäischen Gießereiunternehmen mit Sitz im sächsischen Coswig, gehört, das auch Rohlinge für den Munitionsnachschub im Ukraine-Krieg produziert, wie die Leipziger Volkszeitung recherchierte. Betroffen sind immer häufiger Traditionsunternehmen und auch Branchen, deren Bedeutung eher wächst als sinkt. So meldete jüngst einer der größten Pflegedienste im mecklenburgischen Neubrandenburg, Wilma, mit 150 Beschäftigten Insolvenz an.

Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 12,2 Prozent mehr Firmenpleiten als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag bekanntgab. Die Amtsgerichte meldeten demnach für die ersten sechs Monate nach endgültigen Ergebnissen insgesamt 12.009 beantragte Insolvenzen. Im Juli verzeichnete die Behörde gar 19,2 Prozent und damit den stärksten Anstieg seit Oktober. Im August schwächte sich die Entwicklung etwas ab, die Amtsgerichte zählten trotzdem noch 11,6 Prozent mehr neue Insolvenzen als ein Jahr zuvor. Gegenüber einem durchschnittlichen August vor der Coronapandemie ist es sogar ein Anstieg um 51 Prozent.

»Die Krise dauert an und kostet uns tagtäglich Arbeitsplätze«, sagte Volker Treier von der Deutschen Industrie- und Handelskammer zu den Destatis-Zahlen. Die DIHK erwartet mehr als 22.000 Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr, was ebenfalls mehr wäre als im gesamten vergangenen Jahr. Weil es in diesem Jahr weniger große Unternehmen traf, fielen die Forderungen der Gläubiger mit rund 28,2 Milliarden Euro mehr als vier Milliarden Euro geringer aus als im ersten Halbjahr 2024. Während in der Vergangenheit laut dem Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands häufig junge Unternehmen als erste von Insolvenzen betroffen waren, geraten nun zunehmend etablierte Unternehmen in Schwierigkeiten.

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  • Leserbrief von Patrick Büttner aus Leipzig (12. September 2025 um 07:43 Uhr)
    »In der ostdeutschen Wirtschaft muss auch mal gestorben werden. Da muss auch mal Blut fließen« tönte Anfang 1991 Horst Köhler, damals noch Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Die Kräfte hinter Köhler und Co. arbeiten inzwischen offensichtlich an einem bundesweiten Aderlass. Jedoch. Habeck hat als selbsternannter Rüstungsminister (»Ich hatte wahrlich nicht die Vorstellung, dass ich als Rüstungsindustrie-Minister noch mal einen Schwerpunkt meiner Arbeit setze«) die Richtung vorgegeben: »Wir müssen auch die Wehrindustrie in Deutschland höher skalieren. […] Also müssen wir schneller skalieren, hochskalieren und mehr produzieren.« Der Vierjahresplan dieser Figuren gilt. Vorstellen könnte ich mir jedoch, dass im südwestlichen Hinterland angesiedelte – um in Habecks Duktus zu bleiben – Wehrwirtschaft Priorität hat, da sie nach einem Überfall auf die russische Föderation noch halbwegs außerhalb der Reichweite russischer Drohnen und Mittelstreckenraketen liegt.