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Aus: Ausgabe vom 12.09.2025, Seite 1 / Titel
Altersvorsorge

Miese Aussichten

Immer weniger Menschen können von ihrer Rente leben. Und immer mehr junge Menschen zweifeln, ob sie überhaupt eine bekommen werden
Von David Maiwald
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Hübsche Wand, schlechte Rente: Mehr als 42 Prozent der Altersrentner bekommen weniger als 1.000 Euro

So sieht es aus: Immer weniger Menschen können in der Bundesrepublik von ihrer Rente leben. Und vor allem Migranten sind besonders von niedrigen Bezügen betroffen. Wie am Donnerstag bekannt wurde, erhielten mehr als acht Millionen Rentner im vergangenen Jahr weniger als 1.000 Euro Rente. Zum Stichtag des 31. Dezember 2024 war das weniger als die Grundsicherung von seinerzeit 1.011 Euro. Das ergab die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine schriftliche Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten René Springer, derzufolge ein Anteil von mehr als 42 Prozent der insgesamt rund 19 Millionen Altersrentner hierzulande über derart niedrige Altersbezüge verfügt.

Zurückzuführen sei dies etwa auf sehr kurze Erwerbsbiographien, »wie sie in den alten Ländern besonders bei Frauen erkennbar sind«, erklärte das Ministerium auf jW-Anfrage. Zudem könne dies mit einem Wechsel in die Beamtenversorgung oder andere Alterssicherungssysteme zusammenhängen. Die Bezüge der gesetzlichen Altersrente sagen nicht unbedingt alles über das Einkommen eines Rentners aus. Springer ging es um Herkunft, und so schlüsselte das Arbeitsministerium auf, dass rund 6,4 Millionen Deutsche eine Rente unterhalb von 1.000 Euro bezogen, während rund 1,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass ähnliche Bezüge erhielten. Im Verhältnis zu allen Rentnern der jeweiligen Gruppe waren das bei Deutschen 38,5 Prozent, während 73,6 Prozent der »Ausländer« eine Rente unter 1.000 Euro erhielten.

Der Abgeordnete Springer ließ dann am Donnerstag eine Äußerung über die Nachrichtenagentur dpa verbreiten, »exklusiv«, wie die Pressestelle seiner Fraktion auf jW-Nachfrage erklärte. Die Magazine Spiegel und Focus sowie der Tagesspiegel gaben seine rassistische Hetze, der Sozialstaat werde durch sogenannte Armutsmigration zerstört, dann munter weiter. Schon im vergangenen Jahr hatte eine AfD-Anfrage die überdurchschnittliche Altersarmut von Migranten zu instrumentalisieren versucht.

Dabei lässt sich lediglich feststellen, dass Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte im Alter besonders von Armut betroffen sind. Mehr als 90 Prozent der Senioren aus der Ukraine, Afghanistan, Irak, Syrien und Somalia erhalten den Ministeriumsangaben zufolge solche niedrigen Bezüge. Überhaupt: Migranten stellen seit Jahren den höchsten Anteil im Niedriglohnbereich beschäftigter Menschen, arbeiten zu höheren Anteilen in schlechten Jobs mit schlechter Bezahlung. Auch diese AfD-Anfrage macht sichtbar, dass ein großer Teil der Senioren mit gesetzlichen Altersbezügen von ihren Renten nicht allein leben kann oder könnte. Die politischen Schlussfolgerungen der »Hellblauen« dazu sind allerdings wie immer nutzlos.

Denn ob mit oder ohne deutschen Pass: Ein Großteil der Rentner in Deutschland ist arm. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren das im vergangenen Jahr schon 3,4 Millionen Menschen. Immer weniger erreichen überhaupt noch das gesetzliche Rentenalter. Diese Tendenz lässt auch junge Menschen stark zweifeln, ob sie im Alter eine Rente erhalten werden, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Forsa-Umfrage für Kreditkartenanbieter Visa und die ING Bank ergab. Demnach meinen nur noch etwas mehr als die Hälfte der 18- bis 30jährigen (56 Prozent), dass sie später überhaupt eine Rente erhalten. Die überwiegende Mehrheit (83 Prozent) macht sich Sorgen um ihre finanzielle Sicherheit im Alter. Wer kann es ihnen bei diesen Aussichten verübeln?

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