»Hau ab, Macron!«
Von Hansgeorg Hermann
Der am Montag vom Parlament abgewählte rechtsliberale französische Premier François Bayrou hat am Mittwoch die Amtsgeschäfte an seinen bisherigen Armeeminister Sébastien Lecornu übergeben. Während die hohe Politik im Hof des Regierungssitzes Hôtel Matignon unter sich blieb, protestierten landesweit Tausende Menschen gegen den Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Bayrous rechtsnationaler Innenminister, einstweilen noch im Befehlsstand, schickte gegen die bis zum Nachmittag relativ dünn besetzten, durchweg friedlichen Kundgebungen der Bewegung »Bloquons tout« – »Lasst uns alles blockieren« – eine Armee von 80.000 gepanzerten und schwerbewaffneten »Ordnungskräften« in die Straßen der großen Städte. Dem Ministerium zufolge wurden knapp 300 Menschen festgenommen, mehr als die Hälfte davon im Raum Paris. Dort versuchten Demonstranten unter anderem, in den Bahnhof Gare du Nord einzudringen.
Die Bewegung, die zum landesweiten Protest für Mittwoch aufgerufen hatte und sogar auf die weitgehende Unterstützung der Gewerkschaften zählen konnte, hatte sich über das Netz »horizontal«, also ohne nominierte, personenbezogene Führung, organisiert. Sie erinnerte an den Aufstand der »Gelbwesten«, die »Gilets jaunes«, die das Land im Winter 2018/19 zeitweise lahmgelegt und Macron zur Rücknahme seiner »Steuerreform« gezwungen hatten. Der Protest richtet sich vor allem gegen den Staatschef, der im Juni 2024 ohne Not und aus rein machtpolitischen Erwägungen heraus das Parlament aufgelöst hatte. Nach den Neuwahlen Anfang Juli hatte Macron seine Mehrheit verloren und verlangt seither von den bis dato drei Regierungschefs, für einen »demokratischen Sockel« im Parlament zu sorgen, eine Koalition politischer Gegner – Macronisten, rechte Republikaner und Sozialdemokraten. Diese soll dem mit 3,4 Billionen Euro hoch verschuldeten Land einen Sparhaushalt auf Kosten der mittleren und unteren Bevölkerungsschichten aufdrücken.
Den neuen Regierungschef Lecornu halten nicht nur die protestierenden Massen für einen »Klon« Macrons, dem der Meister im Präsidentenpalast Élysée die Hand führt. Der extrem rechte Rassemblement National (RN) wie auch die Sozialisten (PS), die als Wahlsieger seit Monaten vergeblich den Posten des Ministerpräsidenten für sich beanspruchen, sahen am Mittwoch den Weg offen für Neuwahlen. Die linke Partei La France insoumise (LFI) hat sich quasi den Slogan der Bewegung »Bloquons tout« zu eigen gemacht – »Hau ab, Macron!« – und verlangt den sofortigen Rücktritt eines Staatschefs, der »alle Regeln der Demokratie mit Füßen tritt«. Für seinen Umzug ins Matignon nahm sich Lecornu Zeit. Während sich die gesamte Belegschaft im Hof 60 Minuten die Beine in den Bauch stand, sinnierten der alte und der neue Regierungschef drinnen gemütlich darüber, wie es denn weitergehen könnte ohne Mehrheit und mit einer Bevölkerungsmehrheit, die Macron hasst. Lecornus Fazit : »On va arriver« – wird schon gehen, und »va falloir plus créative« – wir müssen uns was einfallen lassen.
Siehe auch
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Drohnen in Polens Luftraum abgeschossen
vom 11.09.2025 -
Eine Armee haut ab
vom 11.09.2025 -
Schweizer Militär wirbt um Frauen
vom 11.09.2025 -
»Schurkenstaat« jubelt
vom 11.09.2025 -
Neustart für Inspektionen
vom 11.09.2025 -
Macrons fünfte Wahl
vom 11.09.2025