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Aus: Ausgabe vom 11.09.2025, Seite 1 / Ausland
Ukraine-Krieg

Drohnen in Polens Luftraum abgeschossen

Ukraine-Krieg: Moskau weist Absicht zurück, Warschau ruft Artikel 4 des NATO-Vertrags aus
Von Ina Sembdner
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Polnische Patrouille in Wyryki-Połód: Hier stürzte eine abgeschossene Drohne in ein Wohnhaus

Die Einschätzungen gingen erwartbar auseinander: Während Polen am Mittwoch erklärte, es habe erstmals als Reaktion auf eine schwere Verletzung des NATO-Luftraums russische Drohnen abgeschossen, warf Russland der Regierung in Warschau vor, sie versuche, Mythen zu konstruieren, um im Ukraine-Konflikt zu eskalieren. »Um einer völligen Aufklärung des Geschehens« willen sei man aber ebenso wie das Verteidigungsministerium bereit, mit der polnischen Seite zusammenzuwirken, teilte das Außenministerium mit.

»Dies ist das erste Mal in diesem Krieg, dass sie nicht aufgrund von Fehlern oder kleineren russischen Provokationen aus der Ukraine kamen. Zum ersten Mal kam ein erheblicher Teil der Drohnen direkt aus Belarus«, erklärte darüber hinaus der polnische Ministerpräsident Donald Tusk. Sein Außenminister Radosław Sikorski sprach von einem »beispiellosen Angriff nicht nur auf polnisches Territorium, sondern auch auf das Territorium der NATO«. In eine ähnliche Richtung gingen alle weiteren Aussagen der mit der Ukraine verbündeten Staaten.

Es sei nicht geplant worden, Objekte in Polen anzugreifen, wurde vom Verteidigungsministerium in Moskau auf Telegram mitgeteilt. »Die maximale Reichweite der im Angriff eingesetzten russischen Drohnen, die angeblich die Grenze zu Polen überschritten haben, übersteigt 700 Kilometer nicht«, hieß es weiter. Allerdings hat Russland in der Vergangenheit mit Drohnen auch in der Westukraine schon Ziele attackiert, die weiter als 700 Kilometer von der Grenze entfernt liegen.

Neben der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas ging unter anderem auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von einem gezielten Einflug der Drohnen in der Nacht zum Mittwoch aus. Es gehe um 19 Drohnen vom Typ »Schahed« oder baugleiche, die von Belarus aus gestartet worden seien, sagte der SPD-Politiker bei einer Befragung im Bundestag. »Die Drohnen sind ganz offenkundig auf diesen Kurs gebracht worden«. Man unterstütze zudem Polen bei der Ausrufung des Artikels 4 des NATO-Vertrages. Dieser sieht gemeinsame Konsultationen und Analysen der Bedrohungslage vor.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (12. September 2025 um 00:29 Uhr)
    Die westliche Hysterie um ein paar wenige russische Drohnen im polnischen Luftraum offenbart einmal öfter die vollkommene Schieflage westlicher Maßstäbe. In den 10 Tagen vor dem russischen Eingreifen in den Donbasskrieg 2022 hatte die OSZE über 10.000 Waffenstillstandsverletzungen im Donbass gezählt (https://www.osce.org/ukraine-smm/reports?page=2). Bekanntlich ist das daraufhin folgende russische Eingreifen offiziell als »unprovozierter russischer Angriffskrieg« bezeichnet worden. Wenn 10.000 Waffenstillstandsverletzungen vorgeblich keinerlei Provokation darstellen sollen, dann ist es absurd, dass lediglich 19 Luftraumverletzungen für mehr als eine Provokation gehalten werden. Als ob Russen nur Untermenschen oder Orks wären, deren Verletzungen nicht zählen. Auch aus anderer Hinsicht kann man die 19 Drohneneinflüge nicht als »Angriff« werten. Der IGH hat in seinen Urteilen zu den Fällen der »Sea Isle City« sowie der »USS Samuel B. Roberts« deutlich gemacht, dass mehr als Sachschaden und/oder mehr als eine Handvoll Verletzter dazu gehört, um im völkerrechtlichen Sinn des Artikels 51 der UN-Charta von einem Angriff reden zu können. Es verbietet sich da, von einem »Angriff« zu reden, zumal die zugrunde liegenden Darstellungen des Sachverhalts keineswegs als gesichert gelten können. Was da vielfach im Brustton vollster Überzeugung vorgetragen wird, das besteht realiter großteils nur aus Spekulation und vor allem aus Wunschdenken. Die Russophobie blockiert jeglichen Klarblick.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (11. September 2025 um 00:10 Uhr)
    Westliche Politiker und Medien, die jetzt Zeter und Mordio schreien, verschweigen geflissentlich, dass die ukrainische Armee regelmäßig russische Drohnen elektronisch kapert und danach entweder zum Absturz bringt oder die Drohnen nach Russland oder Belarus umleitet! Noch im vergangenen Jahr bejubelte man im Westen diese Fähigkeit der Ukrainer! Gelegentlich landeten solche Drohnen in der Vergangenheit dann auch bei den EU-Nachbarn, in Litauen, Polen und Rumänien. Das ist also absolut kein neues Phänomen! Die Absicht dahinter dürfte klar sein. Bisher hatten westlichen Politiker und Medien kein großes Aufheben darum gemacht. Man wollte einerseits die Ukraine nicht kompromitieren und vor der eigenen Bevölkerung nicht in Erklärungsnot geraten (warum weiterhin ein Land mit Milliarden Euro unterstützen, dass russische Kampfdrohnen in die EU umleitet und versucht, uns in einen Krieg mit Russland zu verwickeln?), andererseits aber auch keine direkte Konfrontation mit Russland. Dass sich das nun plötzlich insofern ändert, dass der altbekannte Sachverhalt mit öffentlichem Gezeter und Säbelrasseln gegenüber Russland beantwortet wird (anstatt die eigentlichen Urheber zur Räson zu rufen), muss Anlass zur Sorge geben. Die in der Vergangenheit unliebsame Provokation scheint sich für einige im Westen zum willkommenen Anlass für eine Eskalation gewandelt zu haben.

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