Stillstand in Londons Tube
Von Dieter Reinisch
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass die U-Bahn-Angestellten der britischen Hauptstadt letztmals ihre Arbeit niedergelegt haben. Damals kämpften sie noch gegen die damalige konservative Regierung. Mittlerweile wächst in den Gewerkschaften aber auch die Wut über die Politik von Labour. In immer mehr Branchen werden wieder Arbeitskämpfe ausgetragen. So begannen am Sonntag auch die Beschäftigten der London Underground einen Ausstand. Bis Freitag wird ihr Streik andauern. Geführt wird er von der Transportarbeitergewerkschaft RMT – sie war es, die mit den Bahnbeschäftigten am 21. Juni 2022 die größte Arbeitskampfwelle Großbritanniens seit 1987 auslöste. Dem Eisenbahnerstreik war drei Tage zuvor ebenfalls ein Ausstand der Londoner U-Bahn-Angestellten vorausgegangen.
»The Tube« ist mit 402 Kilometern und 272 Stationen die älteste U-Bahn der Welt. Der Ausstand betrifft diese Woche das gesamte Streckennetz. Bereits seit Freitag hatten die Beschäftigten nur Dienst nach Vorschrift und keine Überstunden mehr gemacht, wodurch es bereits zu Verspätungen gekommen war. Seit Sonntag abend wird die Arbeit vollständig niedergelegt und es geht nichts mehr. Die Streiks wurden beschlossen, nachdem sich das Verkehrsunternehmen Transport for London (TfL) geweigert hatte, »ernsthaft auf die Forderungen der Gewerkschaft hinsichtlich Lohn, Ruhezeiten, extremer Schichtmuster und einer Verkürzung der Arbeitswoche einzugehen«, schrieb RMT in einer Mitteilung, nachdem die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder am 21. August für den Ausstand gestimmt hatte. Und: Laut RMT soll das Unternehmen zudem frühere Vereinbarungen mit der Belegschaft nicht eingehalten haben.
Doch damit nicht genug: Auch in einem zweiten bedeutenden öffentlichen Verkehrsbetrieb kommt es in dieser Woche zu Arbeitskämpfen. Am Dienstag streikten die Beschäftigten von Docklands Light Railway (DLR), ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Die Ausfälle im viel befahrenen Netz führten zu erheblichen Störungen. Am Donnerstag werden die DLR-Beschäftigten abermals die Arbeit niederlegen. Entspannung ist auch am Freitag nicht zu erwarten, denn am letzten Streiktag bei der U-Bahn werden sich ihnen die Angestellten des städtischen Busverkehrs anschließen.
RMT-Generalsekretär Eddie Dempsey schrieb vor Streikbeginn in einer Erklärung, um die Einschränkungen für den öffentlichen Verkehr in der britischen Hauptstadt zu rechtfertigen, dass die Mitglieder hervorragende Arbeit leisteten, »um unsere Hauptstadt in Bewegung zu halten«. Doch sie litten zusehends unter gesundheitlichen Problemen, da »Müdigkeit und extreme Schichtwechsel ernste Probleme sind, die von den Chefetagen ignoriert werden«. Die Schichtpläne, um sicherzustellen, dass die Londoner rund um die Uhr an ihre Ziele gelangen, verlangten den Beschäftigten alles ab.
Die Gewerkschaft fordert schon länger die Einführung einer 32-Stunden-Woche. TfL hat den DLR-Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung von 3,4 Prozent angeboten, was RMT zuwenig ist. Eine Verkürzung der tariflichen 35-Stunden-Woche sei »weder praktikabel noch finanzierbar«, sagte ein TfL-Sprecher gegenüber der BBC am Wochenende. Demnächst könnte es zu abermaligen Streiks bei der Londoner U-Bahn kommen: Reinigungskräfte, die über die Personalfirma ABM bei der U-Bahn arbeiten, haben einen formellen Arbeitskampf begonnen, nachdem das Unternehmen »sein lächerliches Angebot nicht verbessern wollte«, gab RMT nun bekannt.
Trotz »wiederholter Forderungen nach einer fairen Lohnvereinbarung« weigere sich ABM, über die gesetzliche Erhöhung des Londoner Existenzminimums hinauszugehen, und habe keinerlei Angebot zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gemacht, so dass die Reinigungskräfte im Krankheitsfall keinerlei Schutz haben. Falls es nicht bald zu neuen Verhandlungen und einem »ernsthaften Angebot« kommt, werde eine Streikabstimmung durchgeführt, so ein RMT-Sprecher. Dempsey erklärte, ABM würde die Reinigungskräfte »wie Arbeiter zweiter Klasse« behandeln: »Sie erhalten kein Krankengeld, müssen mit einer Armutsrente auskommen und Monat für Monat ums Überleben kämpfen, während ABM Millionengewinne und Dividenden einfährt.«
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