Entwaffnung ja, wenn Israel geht
Von Karin Leukefeld
Die Debatte über die Waffen der Hisbollah sorgt in der libanesischen Regierung weiter für Uneinigkeit. Als am Freitag das Thema auf der Tagesordnung stand, verließen fünf Minister der Amal-Bewegung und der Hisbollah den Sitzungssaal und das Regierungsgebäude. Auch der parteilose Minister Fadi Makki ging. Alle sechs Minister repräsentieren – gemäß dem politischen System der Machtaufteilung zwischen den Religionsgruppen im Libanon – die schiitische Bevölkerung. Bei der Sitzung stellte sich allerdings heraus, dass nicht nur die schiitischen Minister, sondern auch die libanesische Armee eine andere Vorstellung davon hat, wie die Frage der Entwaffnung der Hisbollah behandelt werden soll.
Der ursprünglich von dem US-Sonderbeauftragten Tom Barrack vorgelegte Plan sieht eine Entwaffnung bis zum Jahresende vor. Die Regierung von Nawaf Salam hatte nach dessen Annahme die Armeeführung damit beauftragt, einen konkreten Handlungsplan zu entwerfen. Schon damals hatten die fünf Minister von Amal und Hisbollah die Sitzung unter Protest verlassen. Nun also hat Armeechef General Rudolf Haikal einen Plan vorgelegt, der den »begrenzten materiellen und personellen logistischen Ressourcen« entsprechend umgesetzt werden soll, wie Informationsminister Paul Morcos nach der Kabinettssitzung mitteilte. Einzelheiten sollen einer »operationellen Diskretion« unterliegen. Ob der ursprünglich vorgesehene zeitliche Rahmen eingehalten werde, kommentierte Morcos ebenso wenig wie die Frage, ob es einen neuen Zeitplan gebe. Allerdings wies er darauf hin, dass Israel weiterhin nicht seine Verpflichtungen aus dem Abkommen über eine Waffenruhe von November 2024 einhalte, das von den USA und Frankreich ausgehandelt worden war.
Israel bombardiert und tötet täglich im Libanon. Erst am Montag starben vier Personen bei einem Angriff im Norden. Im Süden des Landes, entlang der Waffenstillstandslinie, hält die Armee fünf strategische Hügel auf libanesischem Territorium besetzt und hat diese mit Pufferzonen umgeben, in die es weder die libanesische Armee noch Bewohner der betroffenen Gebiete lässt. Die Armee behindert und attackiert auch die UNIFIL-Friedenstruppen, die seit 1978 entlang der »Blauen Linie« stationiert sind.
Erst vor einer Woche hatten Drohnen der israelischen Streitkräfte in unmittelbarer Nähe von UNIFIL-Friedenstruppen vier Granaten abgeworfen, als diese Straßensperren entfernten, die den Zugang zu einer UN-Position unmittelbar an der »Blauen Linie« blockierten. Die UN-Truppe sprach von einem der »schwerwiegendsten Angriffe auf UNIFIL-Soldaten und Einrichtungen seit der Einstellung der Feindseligkeiten« im November 2024. Eine Granate sei 20 Meter, die drei anderen Granaten bis zu 100 Meter von den UNIFIL-Soldaten eingeschlagen. Die Drohne habe sich dann über die »Blaue Linie« Richtung Süden (Israel) entfernt. Die israelische Regierung war zuvor über den UNIFIL-Einsatz informiert worden.
Medien, gegen die Hisbollah gerichtete Parteien und internationale Akteure wie die USA, Israel und dessen europäische Partner sowie die arabischen Golfstaaten Saudi-Arabien und Katar setzen den Libanon unter Druck, die Organisation zügig und vollständig zu entwaffnen oder gar aufzulösen. Die Hisbollah beharrt allerdings auf ihrem Standpunkt, die Waffen erst dann an die libanesische Armee zu übergeben, wenn Israel seine Angriffe auf Libanon einstellt und sich aus dem Land zurückgezogen hat.
Aus dem Gebiet zwischen der »Blauen Linie« und dem Fluss Litani hat die Hisbollah ihre Kämpfer abgezogen, mehr als 300 militärische Stellungen und Waffenlager der Organisation wurden von der libanesischen Armee übernommen. Das entspricht der UN-Sicherheitsratsresolution 1701, die das UNIFIL-Mandat bestimmt. Danach soll neben dem Rückzug der nichtstaatlichen bewaffneten Kräfte die libanesische Armee dabei unterstützt werden, den südlichen Libanon zu kontrollieren. Dafür sollen sich auch die israelischen Streitkräfte von libanesischem Territorium zurückziehen, wie es die Resolution vorsieht. Obwohl das bisher nicht erreicht wurde, beschloss der UN-Sicherheitsrat Ende August unter US-amerikanisch-israelischem Druck, das UNIFIL-Mandat bis Ende 2026 zu beenden.
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