Widerwillig zugestimmt
Von Carmela Negrete
Noch bis Sonnabend hatte Enrique Santiago, Chef der spanischen Vereinigten Linken (IU), auf einer Demonstration in Solidarität mit Gaza daran gezweifelt, dass seine Regierung tatsächlich weitreichende Maßnahmen gegen Israel beschließen würde. Als Teil des linken Wahlbündnisses Sumar gehört die IU der Regierungskoalition mit den Sozialdemokraten der PSOE an.
In Spanien dauern die Proteste gegen den Genozid in Gaza an. In der vergangenen Woche gab es wiederholt Kundgebungen gegen das Team Israel-Premier Tech beim Straßenradrennen Vuelta. Zudem traten rund 100 Lehrer in den Streik und besetzten das Kulturzentrum Círculo de Bellas Artes in Madrid. Am Sonnabend verlasen sie dort die Namen von Tausenden von Kindern, die durch israelische Angriffe getötet wurden, begleitet von einer Liveschalte Santiagos beim öffentlich-rechtlichen Sender TVE. Der frühere Anwalt der kolumbianischen FARC erklärte, es gebe »keine andere Option«, als Maßnahmen gegen den Genozid zu ergreifen. Es dürfte aber selbst Santiago überrascht haben, dass diese bereits am frühen Montag morgen verkündet wurden. Das verdeutlicht: Ministerpräsident Pedro Sánchez steht unter Druck. Viele seiner Wähler haben ihm die Erhöhung der Militärausgaben auf fünf Prozent des BIP noch mit dem Argument abgekauft, dies schaffe Arbeitsplätze und stärke die angebliche »strategische Autonomie«. Doch in der Westsahara-Frage und nun auch in Bezug auf Palästina verrät seine Regierung offen die eigenen Prinzipien. Das könnte der PSOE neben dem laufenden Korruptionsskandal teuer zu stehen kommen.
Per Dekret angeordnet soll ab sofort gelten: kein Waffenhandel mehr mit Israel, keine Nutzung spanischer Häfen oder des Luftraums für deren Transport, Verantwortliche für den Genozid dürfen das Land nicht betreten, der Import von Waren aus den besetzten Gebieten wird untersagt. Zugleich stärkt Madrid Palästina: mit zusätzlichen zehn Millionen Euro für das Hilfswerk UNRWA, 150 Millionen für den Gazastreifen sowie neuen Projekten in den Bereichen Ernährung, Verteidigung und medizinische Versorgung, gemeinsam mit der Palästinensischen Nationalbehörde.
Sumar dürfte in letzter Minute erheblichen Druck auf die Sozialdemokraten ausgeübt haben. Die Verhandlungen mit der PSOE bezeichnete Santiago am Sonnabend noch als »äußerst schwierig«.
Die linke Oppositionspartei Podemos hatte die Regierung in den vergangenen Wochen und Monaten unermüdlich und scharf attackiert – wegen ihrer Untätigkeit gegenüber Israel und ihrer Komplizenschaft beim Transport von Waffen nach Tel Aviv, aber auch wegen der katastrophalen Wohnungspolitik, die nach wie vor das größte Problem der Bevölkerung darstellt. Kein Wunder also, dass Podemos in den Umfragen weiter aufsteigt. Die IU wiederum musste erkennen: Wer sich an einer NATO-treuen Regierung beteiligt, die noch nicht einmal den Mut hat, klare Schritte gegen Israel zu unternehmen, riskiert, bei den linken Wählern endgültig durchzufallen.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- IMAGO/Anadolu Agency26.07.2025
Maßnahmen bleiben folgenlos
- Montecruz Foto21.06.2025
Berlin tritt die Europäische Menschenrechtskonvention mit Füßen
- Ahmad Awad/IMAGO/Agencia EFE27.05.2025
»Beispielloser Angriff« auf Gaza
Mehr aus: Ansichten
-
Widerstand des Tages: Museum auf Rezept
vom 09.09.2025