Gegründet 1947 Dienstag, 9. September 2025, Nr. 209
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 09.09.2025, Seite 1 / Titel
IAA startet in München

Altar für die Stinker

Mobilität der Reichen im Fokus: Autokonzerne feiern sich auf IAA in München. Söder will Verbrenneraus kippen. Proteste gegen Profitmaximierung
Von Michael Merz
1.jpg
Die Münchner Innenstadt ist in dieser Woche mit überdimensionierter Autowerbung zugepflastert

Lösungen für die umweltfreundliche Mobilität der gesamten Bevölkerung liegen auf der Hand: günstiger, wenn nicht kostenloser ÖPNV, ein leistungsfähiges Fernverkehrsnetz für die Bahn, daneben langlebige Kraftfahrzeuge, die – leicht und effizient – wenig Energie verbrauchen und nicht nur von einer Person genutzt werden. Diese Ziele zu verfolgen, das ist nicht Sache der am Dienstag startenden Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München, die fürs Greenwashing das Label »Mobility« hinzugetextet hat.

Auf der einen Seite läuft die PR-Maschine auf Hochtouren: Autos mit E-Antrieb werden in die erste Reihe der Präsentationen geschoben, sogar für Fahrräder wird ein Plätzchen freigeräumt, und eine neue S-Bahn ist zu besichtigen. Doch die Realität sieht weitaus anachronistischer aus. Kurz nachdem mitten in Berlin ein nur 3,2 Kilometer langes Stück Stadtautobahn (Kosten: 721 Millionen Euro) eröffnet worden ist – eine Weiterführung des Asphaltmonsters ist in Planung –, bringt Volkswagen auf der IAA eine noch mal vergrößerte Version seines meistverkauften Modells T-Roc heraus, natürlich ein SUV mit Verbrenner. Und Bayerns Ministerpräsident gibt dazu ordentlich Zunder. Das von der EU für 2035 beschlossene Aus für Autos mit Verbrennungsmotor möchte Markus Söder kippen; er gab seiner Polterei in Bild die Namen »Regierungserklärung« und »Zehnpunkteplan«. Vorgeblich um die Rettung der Arbeitsplätze im Land gehe es ihm. »Das Auto wird zur Schicksalsfrage der deutschen Industrie«, meint er. Und dafür soll bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag Kraftstoff verfeuert werden. Auch die deutschen Konzerne selbst wollen den Tank restlos leerfahren. Der CSU-Chef kann sich auf BMW-Chef Oliver Zipse als seinen treuen Claqueur verlassen: Das Klimaziel »zerstört nicht nur die Industrie«, sondern auch »die Möglichkeit, innovativ zu sein«.

Dabei geht es der Branche nach eigenen Angaben gut. Auf der IAA werde die Industrie »ein selbstbewusstes Signal der Stärke und zukunftsorientierten Mentalität« aussenden, meint Jürgen Mindel, Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie (VDA). VW strebt gar Marktführerschaft bei E-Kleinwagen an, und »hervorragend aufgestellt« sieht der Mercedes-Technikchef Markus Schäfer seinen Konzern. Mit Ausnahme der Stuttgarter werden einer Studie zufolge bemerkenswerterweise alle großen Autobauer der EU die CO2-Ziele für 2025 bis 2027 erreichen. Ein prognostizierter Anstieg der Verkaufszahlen von E-Autos sei der Grund. Den chinesischen Herstellern ist Söders Leidenschaft für den Verbrenner ohnehin Wurst. Dass die deutschen Platzhirsche den Umstieg auf Elektroantriebe weitgehend verpennt haben, kann ihnen nur recht sein. Die Volksrepublik ist unter den 700 Ausstellern auf der IAA groß vertreten und beabsichtigt eine Exportoffensive in Europa.

Heftigen Gegenwind gibt es die ganze Woche über durch Proteste und in einem Camp im Luitpoldpark. »Vor allem auf den Open Spaces in der Innenstadt verpasst sich die IAA ein grünes Image«, erklärte Mira Klein vom »Antikapitalistischen Klimatreffen« gegenüber jW. »Auf dem Messegelände selbst sieht das schon anders aus.« Für die Rekorddividenden der Milliardäre und lukrative Geschäftsmodelle würden in der Krise Zehntausende entlassen. Gegen globale Ausbeutung, Profitmaximierung und Verwüstung des Planeten soll am Sonnabend eine Großdemonstration über die Bühne gehen. »Trotz 8.000 Polizisten hier, die das Image der Konzerne vor Kritik schützen.«

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Klotzen statt kleckern: Der bisher größte in der Münchner Innens...
    06.09.2023

    Heilig’s Blechle

    Auf der IAA zelebrieren Bundesregierung und Autolobby den Verkehrskollaps – mit reichlich grüner Tünche
  • Protestaktion gegen die IAA am Montag in München
    05.09.2023

    Vorab weggesperrt

    München: Tausende bei Protesten gegen IAA erwartet. Bayerisches Innenministerium experimentiert mit »Präventivhaft«

Regio:

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro