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Aus: Ausgabe vom 08.09.2025, Seite 15 / Politisches Buch
Marxistische Debatte

Der neue »Etatismus« des Kapitals

Neues Heft der Zeitschrift Marxistische Erneuerung
Von Holger Czitrich-Stahl
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Gar nicht getarnt: Großflächige Werbung für den Kriegsdienst auf einer Straßenbahn in Augsburg (29.3.2025)

Gegenwärtig entwickelt sich eine Debatte um die Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Kapital unter den Bedingungen der Vielfachkrise des Kapitalismus. Der »schlanke Staat«, der nach Krise und Ende des Realsozialismus von den Ideologen des Neoliberalismus wie ein Mantra gepredigt worden war, ist offensichtlich außerstande, die aktuellen Krisen des Kapitalismus im Sinne des Systems zu bewältigen. Im Editorial des neuen Heftes der Zeitschrift Z heißt es mit Blick auf Deutschland: »Der politisch-ökonomisch herrschende Block, aktuell vertreten durch die Koalition aus CDU/CSU und SPD, versucht, sich schwieriger gewordenen Wettbewerbsbedingungen für den exportorientierten Industriestandort Deutschland anzupassen. Dabei wird das Verhältnis von Staat und Kapital neu justiert.« Ein Ausweg wird in einer verstärkten Militarisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gesehen. Zentrale Elemente sind eine umfassende staatliche Industriepolitik, allgemeine staatliche Zentralisierung, Demokratieabbau, Einschränkung des Sozialstaats und in der Folge auch des »sozialen Zusammenhalts«. Hier zeige sich, »dass neoliberale Politik und starker intervenierender Staat keine Gegensätze sein müssen. Das erfordert sogar mehr als bisher einen starken Staat, der als Regulator von Marktprozessen agiert, dem Privatkapital optimale Bedingungen sichert und dieses vor globalen Risiken und demokratischen und sozialen ›Zumutungen‹ schützt«.

In diesem Kontext weist Frank Deppe darauf hin, dass die Rolle des Nationalstaates seit der großen Krise der neoliberalen Weltordnung 2008/09 zunehmend gewachsen ist. Die mit diesem Niedergang verbundenen Legitimationsverluste des Neoliberalismus sollen durch verstärkte staatliche Interventionen korrigiert werden. Mit Trump und dem Autoritarismus kehrt der »Leviathan« (Thomas Hobbes) zurück: »Dazu bedarf es aber einer handlungsfähigen Regierung, die möglichst von einem beim Volk beliebten, mutigen ›Führer‹ geleitet wird. Es sind diese beiden politischen Antworten auf den Niedergang und die Krise der neoliberalen Ordnung sowie auf den weltpolitischen Niedergang des Westens, die in den kommenden Jahren im Zentrum der sozialökonomischen und politisch-ideologischen Auseinandersetzungen und Kämpfe um die Verteidigung der Demokratie einerseits, aber auch um die notwendige Erweiterung der Demokratie zur sozialen Demokratie stehen werden.«

Andreas Fisahn (»Vampirkapitalismus und Rüstungskeynesianismus«), André Leisewitz (»Staatsausgaben und Staatsquote«), Dominik Feldmann (»Weder ›Kahlschlag‹ noch ›Bildungsexpansion‹«) und Jule Kettelhoit (»Staat und Subventionen«) leuchten weitere Dimensionen des neuen »Etatismus« aus. Weitere Heftschwerpunkte bilden die Themen »Gewerkschaften und soziale Bewegungen« sowie »Demokratie – Kampf gegen rechts«. Hier stellt etwa Andreas Wehr die schon oft diskutierte Frage, ob es sich beim politischen System in den Vereinigten Staaten um eine Demokratie handelt. In dieser Ausgabe der Z wird auch an den im Juni verstorbenen marxistischen Philosophen Erich Hahn erinnert, der nicht zuletzt in der Zeitschrift Marxistische Erneuerung Spuren hinterlassen hat.

Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Nr. 143, 216 Seiten, Einzelheft 10 Euro, Kontakt: redaktion@zme-net.de, Internet: zeitschrift-marxistische-erneuerung.de

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