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Aus: Ausgabe vom 08.09.2025, Seite 4 / Inland
Nichtregierungsorganisationen

Vom Partner zum Verdächtigen

Gegen »Extremisten«: Union will Geheimdienst auf »Demokratieinitiativen« ansetzen
Von Kristian Stemmler
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Ob sich die Staatstreue der »Omas gegen rechts« auszahlen wird, wenn der Wind demnächst von stramm rechts weht? (Suhl, 30.8.2025)

Es ist eine Herzensangelegenheit der AfD: der Kampf gegen angeblich »linksgerichtete NGOs« wie »Omas gegen rechts«. Jetzt macht die Union sich dieses Anliegen offenbar zu eigen. Nichtregierungsorganisationen sollen künftig vom Inlandsgeheimdienst durchleuchtet werden. In einem Brief an die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, aus dem netzpolitik.org am Freitag abend zitierte, hat Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) angekündigt, dass sich im Programm »Demokratie leben« nun »Grundlegendes ändern« werde. Unter anderem sollten NGOs einer »breit angelegten Verfassungsschutzprüfung« unterzogen werden.

In Priens Brief heißt es, das Ministerium wolle »die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und der wissenschaftlichen Extremismusforschung« verstärken und deren Erkenntnisse in der »Programmsteuerung« besser berücksichtigen. Wer Zuwendungen des Bundes »zum Schutz unserer Demokratie« erhalte, müsse »selbst Vorbild sein«. Es gebe mehr als 400 direkte Partner und mehr als 3.000 Projekte als »Letztempfänger« der Bundesmittel, deren Strukturen und Ziele geprüft würden. In einem ersten Schritt – »nach wochenlanger Arbeit und mit dem Bundesministerium des Innern abgesprochen« – sei bereits eine »breit angelegte Verfassungsschutzprüfung« im sogenannten Haber-Verfahren eingeleitet worden.

Das »Haber-Verfahren« sieht vor, dass die jeweiligen Ressorts zunächst aus ihnen zugänglichen Quellen, wie etwa den jährlichen Verfassungsschutzberichten, die Organisationen prüfen, die mit dem Programm gefördert werden. Wenn eine Klärung nicht möglich ist, können die Ressorts ihre Anfragen zu möglichen »verfassungsschutzrelevanten Erkenntnissen« über Organisationen, Personen und Veranstaltungen dann unmittelbar an das Bundesamt für Verfassungsschutz und »nachrichtlich« an das Innenministerium richten, heißt es dazu in einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages.

Priens Ministerium äußerte sich gegenüber netzpolitik.org nicht zu dem Brief. Dafür machte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gegenüber Bild am Sonntag klar, wohin die Reise gehen soll. »Geld an Institutionen, Organisationen oder was auch immer zu geben, die nur einen Hauch davon entfernt sind, antisemitisch, islamistisch, rechtsradikal, linksradikal zu sein – das geht gar nicht«, verkündete Linnemann und: »Es muss gestoppt werden«. Da werde die Union »rangehen«, auch schon in den Haushaltsberatungen für 2026.

Angesichts solcher Ankündigungen ist zu befürchten, dass Vereinen der Geldhahn zugedreht wird, wenn sie nach den Kriterien des Inlandsgeheimdienstes auch nur ansatzweise als »antisemitisch« oder »linksradikal« angesehen werden. Denn der Vorstoß richtet sich erkennbar gegen links. Aus den Reihen von Union und AfD hat es zuletzt immer wieder Vorwürfe gegeben, dass im Rahmen von »Demokratie leben!« Organisationen gefördert würden, die sie als »eher linksgerichtet« betrachten. So hatte die Unionsfraktion erst Anfang des Jahres einen umfassenden Fragenkatalog an die damalige »rot-grüne« Bundesregierung gerichtet, in dem sie sich nach der Vergabe von Fördergeldern erkundigte. Gefragt wurde unter anderem nach Organisationen wie Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe, Campact, Amadeu-Antonio-Stiftung und BUND.

Das Misstrauen in der Union gegenüber NGOs, die sie für »linksgerichtet« halten, ist nicht neu. Bereits im Jahr 2011 hatte die damalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder die sogenannte Extremismusklausel bei Demokratieförderungsprogrammen eingeführt. Die Klausel sah vor, dass sich Initiativen zur »freiheitlich-demokratischen Grundordnung« bekennen mussten. Diese Verpflichtung erschwerte unter anderem eine zivilgesellschaftliche Bündnisarbeit, etwa bei Protesten gegen rechts, weil geförderte Organisationen für ihre Bündnispartner in Mithaftung genommen wurden. Anfang 2014 wurde die Klausel wieder abgeschafft. Zwischen den Jahren 2015 und 2018 wurden dennoch zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte vom Verfassungsschutz durchleuchtet.

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