Kinderfriedhof Gaza
Von Wiebke Diehl
Mindestens ein palästinensisches Kind pro Stunde ist im Verlauf des fast 23monatigen israelischen Vernichtungsfeldzugs im Gazastreifen getötet worden. Das bilanzierte die internationale NGO »Save the Children« am Wochenende. Die Zahl der von der israelischen Armee getöteten Kinder in der Küstenenklave liege bei über 20.000, was zwei Prozent der dortigen Bevölkerung im Kindesalter entspreche. Mindestens 1.009 der Getöteten seien zum Zeitpunkt ihres Todes jünger als ein Jahr gewesen, fast die Hälfte dieser Babys wurde während des Genozids geboren und getötet. Das Risiko von Kindern, an Explosionsverletzungen zu sterben, ist siebenmal höher als bei Erwachsenen.
Mindestens 24.011 Kinder wurden zudem verletzt, nach Angaben des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sind mindestens 21.000 Minderjährige dauerhaft beeinträchtigt. Tausende werden weiterhin vermisst und sind vermutlich unter den Trümmern begraben. »Save the Children« zitiert Mitglieder seines Teams für psychische Gesundheit, die mit den Familien getöteter Kinder gesprochen haben: »Eltern, deren Kinder in Stücke gerissen wurden, sprechen von einem Schmerz, der größer ist, als irgend jemand ertragen sollte.« Den Eltern sei verwehrt worden, ihre Kinder ein letztes Mal zu umarmen und sich zu verabschieden. Sie sprächen von verlorenen Umarmungen, von verlorenem Lachen und Weinen.
Tagtäglich sind die Kinder Gazas auch dem Hungertod ausgeliefert. Über eine Million Menschen, die Hälfte davon Kinder, sind im Gouvernement Gaza bereits von katastrophalem Hunger, der sich beständig ausbreitet, betroffen. Mindestens 132.000 unter Fünfjährige sind vom Tod durch akute Unterernährung bedroht, mindestens 135 bereits verhungert. Zudem sind in Gaza, wo das neue Schuljahr gerade begonnen hat, 97 Prozent der Schulen und 94 Prozent der Krankenhäuser beschädigt.
Allein am Wochenende zerstörte die Armee mehrere Wohnhochhäuser in Gaza-Stadt. Angeblich seien diese von der Hamas genutzt worden, so die offizielle Begründung des Militärs. In Onlinenetzwerken war zu sehen, wie am Sonnabend ein 15stöckiges Hochhaus in sich zusammenbrach. Verteidigungsminister Israel Katz veröffentlichte das Video ebenfalls auf X und schrieb dazu: »Wir machen weiter«. Es wird erwartet, dass Israel die Kampfhandlungen in Gaza-Stadt ausdehnt. Am Sonnabend rief die Armee die rund eine Million Bewohner erneut dazu auf, die Stadt zu verlassen und sich in eine sogenannte humanitäre Zone nahe Khan Junis im Süden zu begeben. Die so deklarierten Gebiete sind aber ebenfalls regelmäßig israelischen Angriffen ausgesetzt.
Angesichts der drohenden Großoffensive demonstrierten am Wochenende erneut Zehntausende Israelis vor der Residenz von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für einen Deal mit der Hamas, in dessen Rahmen die Geiseln freigelassen würden. Die Hamas hat am Samstag abend zum wiederholten Mal ihre Bereitschaft zu einem Abkommen erklärt, wenn dieses einen dauerhaften Waffenstillstand, einen vollständigen Truppenrückzug und die Einfuhr von Hilfsgütern beinhalte. Zudem sollten israelische gegen palästinensische Geiseln ausgetauscht werden. In einem ersten Schritt sei auch eine 60tägige Waffenruhe möglich, während der zehn lebende israelische Geiseln freikämen. Netanjahu fordert allerdings die Kapitulation und Entwaffnung der Hamas sowie die Freilassung aller israelischen Geiseln auf einen Schlag. Zudem will er die Armee im Gazastreifen belassen.
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