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Aus: Ausgabe vom 06.09.2025, Seite 6 (Beilage) / Wochenendbeilage
Musik

Im Zustand der Unschuld

Deutschrock wird aus der Vogelschau erst schön: Jochen Hasmanis’ Film über Ihre Kinder
Von Andreas Schäfler
Ihre Kinder_1970 Kopie.jpg
Poetisch, politisch, begabt: Ihre Kinder

Rockmusik mit deutschen Texten? Die Pioniere auf diesem nicht ganz ungefährlichen Gebiet waren Ihre Kinder aus Nürnberg. Wer in den frühen 1970er Jahren noch gar nicht auf der Welt oder zu weit weg vom Ort des Geschehens war – oder aber (wie der Verfasser dieser Zeilen) schlicht zu blöd, um dieser Band mehr als nur ein Ohr zu leihen, kann das Versäumnis jetzt dank einer Filmdokumentation von Jochen Hasmanis nachholen.

Bands nannte man damals ja noch Gruppen. Und die Gruppe Ihre Kinder aus Nürnberg war zwar nicht so laut und skandalträchtig wie etwa die Münchner Bürgerschrecks von Amon Düül, aber einigermaßen berühmt wurde sie trotzdem. Weil sich 1969 noch keine Plattenfirma an Deutschrock herantraute, produzierten die Kinder ihr erstes Album halt selbst – with a little help from Jonas Porst, einem leicht halbseidenen Unternehmersohn und umtriebigen Hansdampf in popkulturellen Gassen. Der machte für die Aufnahmen das damals erst provisorisch eingerichtete Studio von Dieter Dierks in Stommeln bei Köln klar, wo wenig später so einiges an Prominenz der deutschen und internationalen Rockszene ein- und ausgehren sollte.

Die LP »Ihre Kinder« war zwar kein fulminanter Verkaufserfolg, sprach sich aber in den eingeweihten Kreisen herum, auch und gerade wegen des verrätselten Namens, der auf antiautoritäre Neigungen (»Eltern haften für ihre Kinder«) oder gar linkes Bewusstsein (»Mutter Courage und ihre Kinder«) der Gruppe hinweisen mochte, für Otto und Uschi Normalverbraucher aber doch ziemlich sperrig in der Landschaft stand. Die Gründungsmitglieder hatten es zuvor schon bei Jonah & The Whales, der Empire State Band und den Outsiders zu lokaler Berühmtheit gebracht – die Single »It’s Great« von Jonah & The Whales verkaufte sich allein in Nürnberg 5.500mal – und wagten nun als Ihre Kinder den Schritt ins deutschlandweite Rampenlicht, mit tausend Ideen, neuem Bandbus und fränkischer Gelassenheit. Wirklich bahnbrechend aber war, dass sie den Mut aufbrachten, auf Deutsch zu singen. »Wir können von der Umwelt kein Verständnis für uns und unsere Probleme erwarten, wenn wir sie in einer fremden Sprache anreden«, ließ das Management in Gestalt von Herrn Porst im Verlautbarungston verbreiten.

Ohne großes Trara, aber umstandslos aufrichtig und authentisch wird man von Jochen Hasmanis’ 75-Minuten-Film ins damalige Geschehen reingeholt. Der Überraschungserfolg von Ihre Kinder griff nach und nach organisch um sich, man klapperte ein paar Festivals ab und sagte auch nicht nein, wenn es mal eine Nummer größer wurde. So traten sie einmal im Vorprogramm von The Family auf, dann schloss sich sogar eine ganze Tour mit Alexis Korner an. Darüber, dass sie 1970 in der Hamburger Ernst-Merck-Halle als Vorgruppe von Ginger Baker’s Airforce sogar eine Zugabe erspielten, äußert sich Schlagzeuger Olders Frenzel im Film noch immer mächtig stolz. Regisseur Hasmanis collagiert alte Fotos und Filmschnipsel, die Ihre Kinder mal im Konzert, mal auf der Autobahn zeigen, montiert Interviews mit Bandmitgliedern und Wegbegleitern von einst bis jetzt – sein Film ist ein kurzweiliger dokumentarischer Tauchgang in eine lange versunkene Welt. Als Sachverständige kommen u. a. Wolfgang Niedecken und Heinz Rudolf Kunze (»Ihre Kinder waren zu ernst«), der Radiomann Volker Rebell und der Journalist Steffen Radlmaier (»waren zu früh dran«) zu Wort, kurz huschen auch Udo Lindenberg und Ton Steine Scherben durchs Bild. Sie alle haben Ihre Kinder damals aus guten Gründen nicht wenig angehimmelt.

Sonny Hennig muss, auch im aktuellen Urteil von Claudia Hoff (einst als Judith Brigger kurzzeitig Ihre-Kinder-Sängerin), ein charismatischer Bandleader gewesen sein, dem nicht nur die Mädchen an den Lippen hingen. Aber er saß nun mal meistens wie festgetackert hinter seiner Orgel, statt vorn an der Rampe den großen Zampano geben zu können. Er und Koleader Ernst Schultz hielten den Haufen aber auch intern nach Kräften zusammen. In der handwerklich-musikalischen Quersumme waren sie nämlich so begabt wie ungezogen und sympathisch verspult, Hippies aus dem Bilderbuch eben. Das bedeutete auch: viel Arbeit am Habitus – ohnehin das verbindende Merkmal der ganzen Krautrockgruppen, die da plötzlich aus dem sauren deutschen Boden schossen. Stilistisch lagen ja Welten zwischen Tangerine Dream und Can, zwischen Birth Control und Faust, zwischen Guru Guru und Xhol.

Ihre Kinder standen, was die musikalische Grundierung anging, ganz gut im Rhythm -’n’-Blues-Futter, da hatten die in und um Nürnberg stationierten GIs und die Lokalredaktion von AFN für klare Verhältnisse in den Klubs gesorgt. Und dass die Song-, Entschuldigung, Liedtexte nun plötzlich auf Anhieb verständlich waren, ließ sich erstaunlich gut verkraften, denn hey: Hatten »Touch Me« von den Doors oder »In-A-Gadda-Da-Vida« von Iron Butterfly so viel mehr zu sagen als »Nie vergess ich, wie es war« oder »Mädchen, wo warst du gestern Nacht?« Bei Hennig und Schultz waren früh ein paar bessere Schlagertexte von Hildegard Knef hängengeblieben, und etwas Hannes Wader und Dieter Süverkrüp hatten sie sowieso im Ohr. Das half, die ärgste Scham abzulegen und es einfach mal zu probieren. Und im Studio, nachdem man die restlichen Mitglieder rausgeschickt hatte, dann Strophen wie diese einzusingen:

»Es gibt Menschen wie Sand am Meer / Keiner sieht den anderen mehr / Menschen wie Sand am Meer / Niemand sieht das Ufer mehr

Alle Köpfe reden / Sich die Augen wund / Jeder lässt sein Wasser / Jeder spielt gesund / Eine müde Seele / Legt sich in ihr Grab / Irgendwo im Dunkel / Weint ein neuer Tag

Es gibt Menschen wie Sand am Meer / Keiner sieht den anderen mehr / Menschen wie Sand am Meer / Niemand sieht das Ufer mehr.«

Die Texte von Ihre Kinder waren mal poetisch, mal aufmüpfig, mal politisch. Sie feierten die Liebe, verklärten den Schmerz, besangen das einfache Leben, bezogen aber auch Stellung gegen Umweltzerstörung, politische und gesellschaftliche Missstände oder harte Drogen. Für eingefleischte 68er waren und blieben Ihre Kinder aber »Kommerzschweine«. Im Podiumsgespräch im Anschluss an die Filmpremiere erinnerten sich Ernst Schultz, Tommi Roeder und Olders Frenzel, wie sie bei einem Auftritt im Audimax der Uni Erlangen als »Kulturschänder« geschmäht wurden. Daran konnten auch Stücke wie »Südafrika Apartheid Express« oder das explizite Antikriegslied »Toter Soldat« (eine ziemlich freche Adaption von Dylans »Masters of War«) nichts ändern:

»Toter Soldat / Deine Feldpost im Regen, der wie Feuer fällt / Toter Soldat / Und daneben der Segen, der kein Wort mehr hält …«

Hätten sie das auf Englisch gesungen, wären sie dafür von den Studis vielleicht sogar auf Händen getragen worden. So aber sollte sich die diesbezügliche Lage erst mit dem Aufkommen der Neuen Deutschen Welle für eine Zeitlang entspannen.

Den großen Rest erledigten Ihre Kinder allerdings mit musikalischen Mitteln. Man war schließlich eine Rockgruppe! Und was Hennig, Schultz, Frenzel, Roeder, Muck Groh, Georgie Meyer, und Walti Schneider (von dem der Satz »ein Kopf ist nicht nur zum Schütteln da« überliefert ist) an ihren Instrumenten ablieferten, war durchaus selbstbewusst und erfinderisch. Den Blues nutzten sie zum zeittypischen Experimentieren, und der Krach hielt sich in Grenzen. Mitunter spielten die Kinder so filigran, dass es sich sogar mit den Schwärmereien vertrug, die man für Traffic oder Fairport Convention entwickelt hatte. Insgesamt war das ein abenteuerlicher Mix aus unverschämt guter Rockmusik und gelegentlichem Humbug. Einige Stücke verhedderten sich in bekifftem Polit-Jazzrock und drohten das Publikum, ja manchmal auch die Gruppe selbst nicht wenig zu überfordern. Wie bei Rockmusikern fast schon üblich, lagen die Ambitionen der einzelnen Gruppenmitglieder auch öfter über Kreuz, und für ein gemeinsames Durchstarten waren sie nicht entschlossen genug. So wurden sie, gerade was ein vermarktbares Image angeht, bald links und rechts überholt, von den linksradikal schicken Chaoten Ton Steine Scherben, von Lindenbergs zirzensischem Panik-Orchester und sogar von den verkrachten Existenzialisten Amon Düül II.

Jochen Hasmanis’ Ihre-Kinder-Film hat erfreulicherweise wenig mit den gängigen Rock- und Popdokumentationen gemein, die fürs Fernsehen produziert werden und gern mit großspurigen Adabeis aufwarten, die dann aus ihren geschmacklosen Neureichensalons oder trophäengeschmückten Hobbykellern heraus dummes Zeug über gute alte Zeiten verzapfen. Hier sind die Protagonisten handverlesen, durchweg reflektiert und stellen ihre Redebeiträge ganz in den Dienst der musiksoziologischen Hauptsache. Und diese wiederum ist oft verblüffend authentisch ins Bild gesetzt, denn der Regisseur konnte u. a. auf Super-8-Sequenzen zurückgreifen, die Ihre Kinder einst selbst aufgenommen hatten (und zwar mit Kameras von Photo Porst!): herrlich verwackelte Szenen vom Herumstromern auf Tour, vom zähen Warten auf den Auftritt, dem Verladen des Equipments oder auch einfach nur von Spaziergängen in den Straßen Nürnbergs – sehr unschuldige Vorboten heutiger Promoclips.

Nicht thematisiert wird im Film eine Episode, die sich Ende 1971, also schon im schleichenden Auflösungsprozess der Gruppe, zutrug und die Gravitationsverhältnisse womöglich entscheidend verändert hätte. Da war nämlich ein gewisser Klaus Kinski, dem gerade schwer nach gigantomanischer Erweckungsoper zumute war, auf Ihre Kinder aufmerksam geworden und wollte sie für sein Live-Oratorium »Jesus Christus Erlöser« mit auf der Bühne haben. Dass es dazu infolge diverser Verwicklungen dann doch nicht kam, ist ewig schade, es hätte garantiert in einem grandiosen Fiasko geendet.

Ein kleines Weilchen blieben Ihre Kinder noch zusammen und pflegten zu Hause und im engeren Umland ihren guten Ruf. Von heute aus beurteilt, waren sie – alle in festen Beziehungen, Hennig und Schulz zudem Väter kleiner Kinder – vielleicht einfach nicht größenwahnsinnig genug. Kam noch der Standortnachteil Nürnberg dazu, wo das Reservoir für die handelsüblichen Umbesetzungen bald ausgeschöpft und auch die Medienlandschaft sehr überschaubar war – und so schaltete das Management alsbald die legendäre Todesanzeige in Sounds 2/72: »Nach schwerer und schleichender Krankheit verschied für alle unerwartet die Gruppe Ihre Kinder im Oktober ’71. Die trauernden Hinterbliebenen: Jonas Porst, Manager und Produzent – Sonny Hennig mit seiner neuen Gruppe Tränengas (LP: ›Tränengas‹) – Ernst Schultz mit seiner Solo-LP (›Paranoia Picknick‹, erscheint im Frühjahr ’72) – Tommi Roeder, jetzt bei Tränengas – Olders Frenzel & Muck Groh, bald mit einer neuen Gruppe – Georgie Meyer. Zum Troste dürfte die Hinterlassenschaft gereichen: Die beste LP von Ihre Kinder ›Werdohl‹ (auf Kuckuck).«

Diese geniale Promomaßnahme zeigte leider keineswegs die gewünschte Wirkung, von »Werdohl« setzte Eckart Rahns Münchner Plattenfirma Kuckuck nurmehr 4.000 Stück ab (von »Leere Hände« waren noch 40.000 weggegangen), und der Split war unwiderruflich vollzogen, auch wenn später mit »Anfang ohne Ende« sogar noch ein Album aus dem Nachlass folgen sollte. Kuckuck mit dem hübschen Labeletikett (das Wappentier quasi als Paradiesvogel im Fruchtsalatbaum) hatte u. a. auch den austro-kanadischen Singer/Songwriter Jack Grunsky im Portfolio. Und wer zeichnete für den tadellos knackigen Folkrock in Grunskys Rücken verantwortlich? Na, die fast vollzähligen Ihre Kinder natürlich!

Über die ambitionierten Nachfolgeprojekte wie besagte »Tränengas«-LP von Hennig (mit Agitprop-Texten à la Wallraff) oder Muck Grohs womöglich etwas zu genialische Gruppe Aera wurde sehr bald der große Mantel des Schweigens gebreitet – während das weitere Treiben des fulminanten Hallodris Jonas Porst sich nach Hiltpoltstein in der Fränkischen Schweiz verlagerte und eine separate Investigativrecherche erfordern würde. Jedenfalls gipfelte es etwas später doch noch in zählbarem Erfolg, und zwar mit der Gruppe Extrabreit. »Zwei Goldene, da kann man nicht meckern«, bilanziert Porst an einer Stelle.

Ende Oktober 1971 gastierten Ihre Kinder sogar mal im Fernsehen, und zwar im Showblock von Dietmar Schönherrs und Vivi Bachs beliebter Familiensause »Wünsch dir was«. Nanu? Sollte das etwa den entscheidenden Durchbruch bringen? Die Bee Gees waren schließlich auch eingeladen. Die Kinder spielten »Leere Hände« und »Menschen wie Sand am Meer«. Im Film (und auf Youtube) kann man sich davon überzeugen, mit welch heiligem Ernst sie sich da ins Zeug legten – und wie pikiert einige Damen und Herren im Studiopublikum das Ereignis zur Kenntnis nahmen. Dabei hatte man die Gruppe vorab in der Maske doch äußerst fachgerecht rausgeputzt – eingedenk der Devise »Lange Haare? Kein Problem, aber gepflegt müssen sie sein.« Die TV-Öffentlichkeit war dennoch überwiegend entsetzt: Gammler live im ZDF, und das in der Vorweihnachts- und zur besten Sendezeit! Außer einer netten Gage konnten die Kinder mal wieder kein Kapital aus dem Skandälchen schlagen, sie waren einfach zu lieb – und das Feuilleton, wo die Nürnberger Rocksensation sicher besser aufgehoben gewesen wäre als im Zweiten Deutschen Fernsehen, schnarchte vor sich hin.

Im Kinosessel hat man den Eindruck, dass Jochen Hasmanis nur ein bisschen an der Oberfläche zu kratzen brauchte, und schon kamen Storys zum Vorschein, die für einen Film nun mal Gold wert sind: Sonny Hennigs unfreiwillige Begegnung mit Ludwig Erhard und Axel Cäsar Springer im Fahrstuhl des Berliner Springer-Hochhauses etwa, wo der Rocker in lederner Motorradkluft zum Interviewraum der B. Z. unterwegs war und den Hausherrn, der einen schwerbewaffneten RAF-Terroristen vor sich zu haben glaubte, schier zu Tode erschreckte, mit dem leutseligen Exkanzler aus Fürth jedoch gleich landsmannschaftlich ins Plaudern geriet. Davon erzählt Hennig, der 2019 verstarb, in einer Archivsequenz des Films – ohne jede Angeberei, sondern als nachhaltig verdutzte Randfigur, der eine Episode bundesrepublikanischen Slapsticks vergönnt war, wie man sie sich schöner nicht ausdenken könnte.

Wie gemalt ist auch eine Anekdote, die Ernst Schultz zum Besten gibt: Die Ihre-Kinder-Single »Leere Hände« hatte sich bald nach Veröffentlichung auch zu einem bundesweiten Knast-Hit gemausert, und eines schönen Tages sprach die fortschrittliche Leitung der JVA Schwäbisch Hall eine Einladung an die Gruppe aus, dort live aufzutreten.

»Die Nacht ist seltsam kalt / ich finde keinen Halt / Und das Gefängnistor / erinnert mich ziemlich an gestern

Mein Anzug ist für zwei / sonst hab ich nichts dabei / Mich schluckt ein Häusermeer / hier hatte ich einmal viele Freunde

Doch Jahre vergehn / Zeit bleibt nicht stehn / Wohin ich mich wende / ihr habt leere Hände für mich / Ich finde keine Tür / und niemand will mich hier / Nur die Vergangenheit / mit tausend sehr ähnlichen Fragen.«

Gerührt erinnert sich Schultz an das Benefizkonzert, bei dem sie »Leere Hände« »bestimmt fünfmal spielen« mussten, an den schmiedeeisernen Kerzenleuchter, den sie von den Knackis als Geschenk überreicht bekamen, und an die höchst erfreuliche Folgeerscheinung des Auftritts, dass beim Einschluss danach fünf Insassen fehlten. Als Polit-Rock noch geholfen hat …

Nach dem Ableben von Ihre Kinder sattelte Sonny Hennig auf Radiomoderator um und machte bei Radio Gong, bei RTL in Luxemburg und Berlin und schließlich bei Antenne Bayern eine beachtliche zweite Karriere. In fortgeschrittenem Alter debütierte er dann auch noch als Schauspieler in Nürnbergs Gostner Hoftheater, wo er – Ironie der Geschichte – Rio Reiser mimte, außerdem trat er als Autobiograph mit »Rockmanns Erzählungen« hervor. Und sogar bei der großen Ihre-Kinder-Reunion zur Jahrtausendwende beim Nürnberger Bardentreffen war er dabei. Bei Schultz ging es zunächst mit der Solo-LP »Paranoia Picknick« weiter, danach wirkte er in erster Linie als Graphiker. Er hatte schon mit dem berüchtigten Innencover von Hennigs »Tränengas«-LP als Fotocollagist reüssiert und gewann dann für das Cover des Chicken Shack-Albums »That’s the Way We Are« sogar eine Goldmedaille. Als Texter arbeitete er u. a. Stefan Waggershausen und Wolfgang Petry zu, bastelte fortan aber vor allem an seinen deutschen Dylan-Programmen. Tommi Roeder ging ans Konservatorium und machte eine akademische Karriere, Georgie Meyer wurde Sprecher und Schauspieler für Film und Theater und verstarb 2023, Walti Schneider bereits 2013.

Am Ende ist man zwar traurig, dass der Film aus ist. Aber auch fast dankbar dafür, dass Ihre Kinder eine Weltkarriere erspart geblieben ist. Um so glaubwürdiger und auch kostbarer wirkt die Ausbeute von Jochen Hasmanis’ Dokumentation. Sie fügt einer phänomenalen Ton- nun auch eine satte Bildspur hinzu und bringt einem nahe, was in einer gar nicht so fernen deutschen Vergangenheit ausgerechnet im provinziellen Nürnberg losgetreten wurde. Ein verheißungsvoller Aufbruch war es allemal, auch wenn er in leiser Wehmut unvollendet geblieben ist.

»Ihre Kinder – Pioniere der deutschsprachigen Rockmusik«, Regie: Jochen Hasmanis, BRD 2025, 75 Min., in ausgewählten Programmkinos

Andreas Schäfler, geboren 1958 in der Schweiz, lebt als freier Autor (u. a. für die junge Welt) in München. Zuletzt erschien von ihm an dieser Stelle am 23./24.11.2024 »Rausch und Rebellion« –über Nikos Papadopoulos und sein Trio Ta Mourmourakia

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