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Aus: Ausgabe vom 05.09.2025, Seite 15 / Feminismus
Rohingya

Ausgeliefert im Flüchtlingslager

Bangladesch: Rohingya-Frauen- und Mädchen übermäßig von Gewalt und Ausschluss betroffen
Von Ina Sembdner
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Überleben, trotz allem: Seit Jahren Alltag für die geflüchteten Rohingya in Bangladesch (Cox’s Bazar, 6.6.2025)

Es ist ein riesiges Flüchtlingsgebiet und wie immer in Krieg und Krise leiden Frauen am meisten unter der Situation: Laut einer aktuellen Studie sind Frauen und Mädchen der muslimischen Rohingya in den Flüchtlingslagern im Distrikt Cox’s Bazar im Südosten Bangladeschs besonders oft »Opfer von sexueller Belästigung, Vergewaltigung, Menschenhandel, Armut, Bildungsausgrenzung und sogar Tod«. Die seit 2017 vor Ort tätige Hilfsorganisation Action Aid konstatiert in ihrem auf 66 Interviews basierenden Bericht, der am Sonntag veröffentlicht wurde: »Das Patriarchat ist in der Rohingya-Gemeinschaft tief verwurzelt.« Forschungskoordinatorin Tamazer Ahmed ergänzte, dass frühe Heirat und Polygamie zur Normalität geworden seien. Die Gewalt gehe jedoch nicht nur von den Männern der Gemeinschaft aus, sondern werde auch von Mitgliedern der in den Lagern eingesetzten bewaffneten Polizeieinheit APBN verübt. Da die Übergriffe in den überfüllten Lagern überwiegend in der Nähe von Latrinen und Waschplätzen passierten, wünschen sich die befragten Frauen laut der Studie, die Beleuchtung in öffentlichen Bereichen zu verbessern, die Polizisten durch Soldaten zu ersetzen und Männer in Präventionsmaßnahmen einzubeziehen. Insgesamt leben rund 1,2 Millionen Rohingya in Bangladesch, etwa die Hälfte davon Kinder.

Die zwangsweise Verheiratung junger Mädchen wird aufgrund der prekären Lage oft zum letzten Ausweg. So berichtete die 35jährige siebenfache Mutter Begum Ende August über ihre 16jährige Tochter gegenüber Reuters: »Ich hatte Angst. Die Heirat war die einzige Option. Ich bete nur, dass ihr Mann sie studieren lässt.« Und die Situation verschärft sich. Die Direktorin des Internationalen Roten Kreuzes (IRK) in Bangladesch, Hasina Rahman, mahnte entsprechend, dass sich immer mehr Familien zu extremen Überlebenstechniken hinwendeten: »Glücksspiel, Verkauf von Kindern in die Ehe und Zwangsarbeit sowie sexualisierte Gewalt werden zunehmen.« Laut IRK sind derzeit rund 500.000 Rohingya-Kinder von jeglicher Bildung ausgeschlossen, was dazu führt, dass sie ziellos zwischen den Bambushütten umherwandern, statt zur Schule gehen zu können. Die Zahlen der Zwangsverheiratungen sind in diesem Jahr bereits um drei Prozent gestiegen.

Dabei konnte der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) im vergangenen Jahr Erfolge insbesondere für Frauen und Mädchen vermelden: Mehr als 335.000 Rohingya nahmen lebensrettende Dienste im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte in Anspruch und mehr als eine halbe Million Geflüchtete nahm an Mobilisierungsmaßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt teil. Mit den (von den USA vorangetriebenen) Kürzungen im internationalen Hilfssektor und aufgrund der andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Militärjunta und Separatisten in Myanmars Bundesstaat Rakhine wird die Lage jedoch immer dramatischer: Nach der Massenflucht 2017 sind in den vergangenen 18 Monaten nach UN-Angaben etwa 150.000 weitere Rohingya aus Rakhine nach Bangladesch geflohen. Ermittelt wird nun zu Berichten über Brandstiftung, Ermordung, Folterung und Vergewaltigung von Rohingya und anderen Zivilisten.

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