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Aus: Ausgabe vom 05.09.2025, Seite 5 / Inland
Wirtschaftskrise

Es bleibt düster

Zwei Wirtschaftsforschungsinstitute senken ihre Prognosen zur BRD-Wirtschaft. Der Wandel, so heißt es, erfolgt im kommenden Jahr
Von David Maiwald
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Dunkle Wolken über der deutschen Wirtschaft: Die Produktion stagniert weiter

Konjunktur »ohne Schwung«, die Wirtschaft »weiterhin in der Krise«: Kapitalnahe Wirtschaftsforscher haben ihre Prognosen zur BRD-Wirtschaft wieder einmal nach unten korrigiert. So geht das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in seiner am Donnerstag veröffentlichten Herbstprognose nun von 0,2 Prozent Wachstum im laufenden Jahr und 1,3 Prozent für 2026 aus.

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet in seiner gleichentags veröffentlichten Jahresendprojektion nur noch mit 0,1 Prozent Wachstum in 2025 und wie das Ifo mit 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Die deutsche Wirtschaft »wartet auf spürbare Impulse«, erklärte das IfW am Donnerstag, während das Ifo-Institut erklärte, deutsche Unternehmen seien durch eine »anhaltend schwache Nachfrage« und eine Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsposition belastet.

In seiner Frühjahrsprognose war das IfW noch von Nullwachstum im laufenden Jahr ausgegangen und hatte für 2026 ein Plus von insgesamt 1,5 Prozent vorausgesagt. Das Ifo-Institut hatte seine Winterprognose für 2025 schon im März um 0,2 Prozentpunkte auf ein Wachstum von 0,2 Prozent für das laufende Jahr gesenkt. Für das Jahr 2026 waren die Münchner Wirtschaftsforscher im Frühjahr noch etwas zurückhaltender und blieben bei ihrer Annahme von 0,8 Prozent Wachstum vom Jahresende 2024.

Noch im Frühjahr hatte das IfW besonders auf die »Zoll- und Handelspolitik der USA« verwiesen und hinzugefügt, dass den Unternehmen Wettbewerbsfähigkeit und Marktanteile verlorengingen. Das Ifo hatte Auftragsmangel, sinkende Einfuhren aus China moniert und auch auf die zunehmend schlechtere Marktposition deutscher Unternehmen verwiesen. Die Handelspolitik der USA wirke weiterhin »dämpfend« für den internationalen Warenverkehr, erklärten die Ökonomen des IfW. Die deutsche Ausfuhrwirtschaft sei dadurch unter Druck geraten und weiterhin geschwächt, hieß es. »Auch die zunehmende Konkurrenz durch chinesische Produkte auf den Absatzmärkten macht den deutschen Exporteuren zu schaffen«, erklärte IfW-Präsident Moritz Schularick. Gleichzeitig würden deutsche Waren in der Volksrepublik immer noch deutlich weniger nachgefragt, die Einfuhren seien weiterhin rückläufig.

Auch der Münchner Ifo-Konjunkturbeobachter Timo Wollmershäuser zeigte über den Atlantik. »Nach wie vor« sei die Wirtschaftsleistung durch US-Zölle »spürbar« belastet. Und das soll vorerst andauern: Vom Zolldeal mit der EU seien »keine unmittelbaren Effekte auf die Prognose zu erwarten«, so Wollmershäuser. Er beseitige aber bis vor kurzem noch bestehende Unsicherheiten.

Im kommenden Jahr soll die kriselnde Bauwirtschaft dann wieder anziehen, darauf deuten dem IfW zufolge steigende Auftragseingänge in der Branche hin. Auch der private Konsum werde sich aufgrund von »deutlicheren Kaufkraftzuwächsen« wieder beleben. Der Aufschwung erfolge 2026 dank einer »expansiven Fiskalpolitik« – gemeint sind etwa die Sonderschulden für Rüstung und Infrastruktur sowie Steuererleichterungen für Unternehmen und niedrige Strompreise für Industriekonzerne. Diese würden eine »Kehrtwende« auf dem Arbeitsmarkt einläuten, so die Kieler Ökonomen.

Das Ifo geht zum Jahresende jedenfalls von weiteren 136.000 Erwerbslosen aus. Im kommenden Jahr würden dann 96.000 Erwerbstätige mehr zu verzeichnen sein. Würden die »Impulse« von neun Milliarden Euro in 2025, 38 Milliarden im kommenden Jahr und weiteren 19 Milliarden Euro in 2027 »konsequent umgesetzt« und wenn »die hohe Unsicherheit weicht, könnte die Finanzpolitik die deutsche Wirtschaft aus der Krise hieven«, erklärten die Münchner.

Ob sich der dargestellte Wandel vollzieht, bleibt angesichts der angekündigten Stellenkürzungen in diversen Kernindustrien der BRD zweifelhaft. Ebenso ist fraglich, ob der von der Bundesregierung angeworfene Rüstungsturbo und die Infrastrukturmilliarden die nun lange andauernde Auftrags- und Absatzflaute der Industrie nachhaltig ausgleichen können. Bald kommen zollfreie Industrieimporte aus den USA hinzu, die dann zusätzlich zu den chinesischen Einfuhren Marktpositionen besetzen können. Es wäre nicht die erste nach unten korrigierte Prognose.

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