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Aus: Ausgabe vom 05.09.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Südamerika

Absturz des Peso

Argentinische Regierung greift in Devisenmarkt ein
Von Frederic Schnatterer
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Die argentinische Zentralbank hat während der Regierung von Präsident Milei einen 20.000-Peso-Schein in Umlauf gebracht

Die Krise der argentinischen Regierung macht sich auch an den Finanzmärkten bemerkbar. Am Montag stieg der Preis eines US-Dollar auf den Rekordwert von 1.385 Pesos. Damit bewegte er sich mehr als 300 Punkte über der festgelegten Untergrenze und weniger als 100 von der Obergrenze entfernt. Am Dienstag kündigte der Finanzsekretär der Regierung, Pablo Quirno, per X an, in den Devisenmarkt einzugreifen, »um die Liquidität und das normale Funktionieren zu fördern«. Der Strategiewechsel zeigte Wirkung: Der offizielle Wechselkurs sank am Mittwoch um zehn Pesos im Vergleich zum Vortag.

Mehrere Consultingfirmen gehen davon aus, dass die argentinische Regierung bereits zwei Wochen zuvor damit begonnen hatte, US-Dollars auf dem Devisenmarkt zu verkaufen, um so die Landeswährung zu stützen. So schätzt das Unternehmen Vectorial, dass seit dem 20. August fast 300 Millionen US-Dollar veräußert wurden. Am Dienstag musste der Finanzsekretär klarstellen, dass die Mittel nicht aus dem Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) stammten. Der genehmigt die Verwendung erst, wenn die derzeit geltende Wechselkursobergrenze von 1.460 Pesos pro US-Dollar erreicht ist.

Die Intervention der Regierung stellt eine radikale Kehrtwende dar, die letztlich ihre finanzpolitische Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt. Im April hatte sie die strengen Devisenkontrollen für Privatpersonen aufgehoben. Anstatt eines festgelegten US-Dollar-Kurses sollte der Wert des Peso künftig relativ frei bestimmt werden, allerdings innerhalb einer Ober- und einer Untergrenze, die im Laufe der Monate erweitert wurde. Die Regierung feierte den Schritt als weiteren auf dem Weg zum von ihr propagierten freien Markt.

Der Verkauf von US-Dollarreserven ist zudem deswegen riskant, weil Argentinien chronisch klamm an solchen ist. Die Nettoreserven der Zentralbank liegen im negativen Bereich. Zudem läuft der Verkauf von US-Dollars der mit dem IWF im Gegenzug für einen neuen Kredit in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar eingegangenen Verpflichtung zuwider, Devisen anzuhäufen. Bereits zuvor hatte die Regierung das vom IWF vorgegebene Ziel deutlich verfehlt, was die Finanzinstitution jedoch nicht davon abhielt, dem Kurs der Milei-Regierung ihren Segen zu geben.

Bereits kurz nach der Bekanntgabe des Kredits hatten die Spitzen des IWF keinen Hehl aus ihrer Motivation für die erneute Finanzspritze für das hochverschuldete Land gemacht. Auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank erklärte Kristalina Georgieva, die Chefin der Washingtoner Institution, die Milei-Regierung habe »den Willen gezeigt, die Wirtschaft in Argentinien wieder in Ordnung zu bringen«. Gerade in Hinblick auf die Ende Oktober anstehenden Parlamentswahlen sei es daher wichtig, dass das Land nicht »aus der Spur gerät«. »Momentan sehen wir diese Gefahr eigentlich nicht, aber wir fordern Argentinien auf, den Kurs zu halten.«

Diese Zuversicht ist mittlerweile dahin, ein deutlicher Wahlerfolg der Milei-Regierung ist keineswegs mehr sicher. Am Mittwoch räumte Quirno ein, dass die »Unsicherheit« noch »bis Ende Oktober« andauern könnte – also bis zur Abstimmung. Schuld daran sei allerdings die Opposition. Um ihre Chancen bei der Parlamentswahl zu verbessern, setzt die Regierung mittlerweile alles daran, die Inflationsrate niedrig zu halten – eines ihrer zentralen und das einzige gehaltene Wahlversprechen. Auch wenn die Absenkung der Inflation auf Kosten eines Industriesterbens, sinkender Löhne und mehr Erwerbslosigkeit erreicht wurde, kann Milei in seinem Kurs weiter auf die Unterstützung Washingtons zählen.

Letztlich gelang es mit Ach und Krach. Das Bündnis Fuerza Patria hat es in der Provinz Buenos Aires auf den letzten Metern geschafft, alle relevanten Kräfte des Linksperonismus auf einer gemeinsamen Liste zu vereinen. Neben der Bewegung für ein Recht auf Zukunft des Gouverneurs Axel Kicillof, dem Partido Justicialista von Expräsidentin Cristina Fernández de Kirchner, La Cámpora von Máximo Kirchner und dem Frente Renovador des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Sergio Massa wurde kurz vor Listenschluss noch die Patria Grande des Basisaktivisten Juan Grabois ins Boot geholt.

Vorausgegangen waren interne Streitigkeiten über Kandidaturen und Posten, die anzeigen, wie fragil das Bündnis ist. Bereits seit Jahren, spätestens jedoch seit der verheerenden Wahlniederlage von Massa gegen Javier Milei im November 2023, tobt innerhalb des Linksperonismus ein Konflikt um die eigene Neuausrichtung. Dabei geht es einerseits um die Aufarbeitung der Regierungszeit von Alberto Fernández (2019–2023), dessen Scheitern nicht von der Hand zu weisen ist. Andererseits geht es darum, wer künftig tonangebend sein wird. Die Provinz Buenos Aires als bevölkerungs- und wirtschaftsstärkste des Landes ist dafür zentral.

Besondere Dringlichkeit erlangte die Frage, wer die wichtigste Oppositionskraft nach dem Urteil gegen Fernández de Kirchner künftig führen wird. Im Juni hatte der Oberste Gerichtshof Argentiniens die sechsjährige Haftstrafe gegen die Expräsidentin wegen angeblicher Korruptionsvergehen rechtskräftig bestätigt. Seitdem sitzt sie im Hausarrest, von wo aus sie per Audioaufnahmen und Aktivitäten in den sozialen Medien versucht, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen. Die Politikerin ist vor allem wegen ihrer Amtszeiten weiter die unangefochtene Autorität im linksperonistischen Lager. Der Kampf darum, wer dieses in Zukunft anführen soll, dürfte spätestens nach den Parlamentswahlen Ende Oktober vollends entbrennen. (fres)

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