»Wir kämpfen gegen den Imperialismus«
Interview: Max Grigutsch, Köln
Eine Woche Camp ist zu Ende. Abgesehen von der großen Demonstration am Sonnabend, was war die wichtigste Aktion der Woche?
Ich kann mich da schwer festlegen. Es gab direkt am Mittwoch morgen eine Blockade vor dem Karrierecenter der Bundeswehr – eine kämpferische Antwort auf die Wehrpflicht, die gleichentags im Kabinett beschlossen wurde. Aber auch das Konzert auf dem Camp, die Stimmung nach erfolgreichen Aktionen und die positive Resonanz, die wir von den Kölnerinnen und Kölnern bekommen haben, all das ist bemerkenswert. Dann unsere Demo zur Villa von Rheinmetall-Boss Armin Papperger, die in den Medien zum Angriff auf den bestgeschützten Industriellen Deutschlands stilisiert wurde. Und beim Aktionstag am Freitag waren wir der Polizei immer eine Nasenlänge voraus. Da wurde zum Beispiel die Deutz AG für einige Zeit blockiert. Der Konzern baut Motoren für Militärfahrzeuge.
Bei den Aktionen und im Camp greifen einige Kämpfe ineinander, aber besonders erkennbar ist die Solidarität mit Palästina.
Wir stehen solidarisch an der Seite der palästinensischen Bevölkerung gegen den Genozid und vertreten die Meinung, dass keine Waffen nach Israel geliefert werden sollten. Das hat sich auch hier im Programm widergespiegelt. Es gab jeden Tag eine spontane Aktion für Palästina; im Camp war die Solidarität allgegenwärtig.
Wie viele Leute haben teilgenommen?
Ich habe den Überblick verloren, so viele sind gekommen. Mittwoch oder Donnerstag abend hatten wir schon rund 900 gezählt. Am Sonnabend müssen es 1.200 gewesen sein.
Welche Gruppen waren dabei?
Schon von der organisatorischen Seite sind wir ein sehr breit aufgestelltes Bündnis. Auf dem Camp gab es zum Beispiel den revolutionären Barrio – sozusagen der kommunistische, rote Teil – und den anarchistischen Barrio. Wir bilden die Diversität der antimilitaristischen Linken ab. Das sorgt auch für Fetzereien, aber die waren solidarisch. Die einen rufen »Jugend, Zukunft, Sozialismus«, die anderen »Jugend, Zukunft, Anarchismus«. Es gab auch Strategiediskussionen darüber, inwiefern und in welcher Form man sich organisieren sollte. Auch eine explizit feministische Perspektive auf Krieg und Aufrüstung wurde in Diskussionen eingefordert. Ich habe vor allem produktive Gespräche erlebt.
Viele Teilnehmer waren eher jung. Wie steht Ihr Bündnis mit der »traditionellen« Friedensbewegung in Verbindung?
Wir wollen an die Geschichte der alten Friedensbewegung anknüpfen. Es gibt viele Kontinuitäten, aus denen wir lernen können. Die DFG-VK hat zum Beispiel ihre Erfahrungen mit Kriegsdienstverweigerung mit uns geteilt und diskutiert. Für uns als Bündnis ist aber immer klar: Wir sind kein pazifistisches Bündnis, wir sind ein antimilitaristisches Bündnis. Das heißt, wir kämpfen gegen Staaten, gegen den Imperialismus. Gegenüber Befreiungsbewegungen, die sich verteidigen müssen, würden wir keinen Pazifismus propagieren. Das unterscheidet uns wohl von der eher pazifistisch geprägten, kirchlichen Friedensbewegung.
Bei einzelnen Aktionen war die Beteiligung eher spärlich, obwohl die Militarisierung bereits im vollen Gange ist. Woran lag das?
Das hat viele Gründe. Trotz der großen Notwendigkeit sind wir erst am Anfang einer neuen antimilitaristischen Bewegung. Wir sind noch in einer Position, wo wir uns erst mal finden müssen. Wir sind noch viel zu wenige Leute.
Hat »Rheinmetall entwaffnen« einen politischen Führungsanspruch in dieser aufkommenden Bewegung?
Wir formulieren keinerlei Führungsanspruch. Wir sehen uns als Teil einer globalen Antikriegsbewegung. Im deutschsprachigen Raum sind wir sicherlich ein erkennbares, wachsendes Bündnis. Wenn wir einen Anspruch formulieren, dann den, ein Ort der Bündelung von Kräften zu sein. Letztendlich müssen sich die Menschen in den Betrieben organisieren. Wir wollen der Ort sein, an dem man sich überhaupt erst mal mit dem Thema auseinandersetzen kann. Gerade seit dem Ukraine-Krieg haben große Teile der Linken, was das Thema Antimilitarismus angeht, entweder falsche Positionen bezogen oder gar nichts gesagt. Wir waren eines der Bündnisse, die da eine Klarheit hereingebracht haben. »Rheinmetall entwaffnen« soll Schnittstelle für die antimilitaristische Bewegung sein.
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