Mount Everest hat ein Müllproblem
Von Thomas Berger
Nepal hat ein riesiges Abfallproblem. Rund 450 Tonnen Plastikmüll werden täglich in der Himalajarepublik erzeugt. Nicht einmal in der Hauptstadtmetropole Kathmandu mit ihren 2,5 Millionen Einwohnern funktioniert die Entsorgung flächendeckend. Das meiste landet final auf einer riesigen Deponie. Kleineren Orten fehlt es oft generell an entsprechenden Entsorgungssystemen.
2015 hatte die damalige Regierung ein Verbot für ultradünne Plastiktüten mit einer Stärke unter 20 Mikrometer verhängt. Bewirkt hat es herzlich wenig. »Plastik ist an sich eine geniale Erfindung. Aber es wird zur Herausforderung, wenn es unsachgemäß entsorgt wird«, zitierte die Himalayan Times Ende Juni Sudeep Bhandari, den geschäftsführenden Direktor des Nepal Environmental Research Institute (NERI). Und auch Dhirendra Kumar Pradhan, Abteilungsleiter im Umweltministerium, räumte an gleicher Stelle ein, dass die Politik bei der Durchsetzung des Verbotes bislang versagt habe. Eine der größten Herausforderungen sei die Bewusstseinsbildung. Selbst politische Entscheidungsträger auf allen Ebenen würden Müllbeseitigung keine besonders hohe Priorität einräumen.
Es werden nicht nur in der Berglandschaft Tüten oder leere Plastikflaschen, achtlos am Wegesrand abgeworfen. Inzwischen haben sich die Zerfallsprodukte großflächig ausgebreitet – bis zu den höchsten Berggipfeln auf dem »Dach der Welt«. Schon 2020 ließ eine Meldung aufhorchen: Ein Wissenschaftsteam hatte am Mount Everest in mehreren Höhenlagen Schneeproben genommen und analysiert. In jeder einzelnen war Mikroplastik nachweisbar, sogar auf einer Anhöhe unterhalb des Gipfels, dem sogenannten Balkon, auf 8.440 Metern. Dies gilt seither wissenschaftlich als der höchste Punkt weltweit, wo der Mensch schon seine Müllspuren hinterlassen hat. Das größte Abfallaufkommen, schrieb seinerzeit der Guardian, findet sich zwar rund um das Base Camp. Aber die Vermüllung des höchsten Berges ist inzwischen generell so groß, dass manche Expeditionen primär dem Einsammeln solcher Hinterlassenschaften zumindest entlang der Hauptrouten dienen. Imogen Napper von der University of Plymouth, die vor fünf Jahren so ein Wissenschaftsteam angeführt hatte, zeigte sich bei der Ergebnisvorstellung selbst erschrocken. Eine der scheinbar entlegensten Regionen sei längst nicht so unberührt, wie man immer gedacht habe.
Analysen zu Mikroplastik stecken in Nepal aber noch in den Kinderschuhen. Immerhin sechs Studien zum Thema hat es zwischen 2020 und 2023 gegeben – mit alarmierenden Erkenntnissen, wie ein Beitrag auf Sciencedirect.com zusammenfasste. Erhebliche Mengen fanden sich etwa im Phewa-See, der wichtigsten Süßwasserquelle der Stadt Pokhara, ebenso in Fließgewässern. Bisher, so eine Studie, würden etwa 20.700 Tonnen Plastikmüll jährlich, knapp ein Zehntel des Gesamtanfalls, in die Umwelt gelangen und dort zu Mikroplastik zerfallen.
»Plastikmüll ist kein technisches Problem – es ist ein Systemversagen«, wurde vor wenigen Monaten in einem Beitrag im Annapurna Express konstatiert. Zumindest punktuell tun sich innovative Lösungsansätze auf. So gibt es in Pokhara neuerdings eine besondere Straße: Bei ihrem Bau auf etwa 1,5 Kilometer Länge wurden dem Bitumen geschredderte Plastikabfälle beigemengt. Im großen Nachbarland Indien wird diese Technik schon seit über einem Jahrzehnt eingesetzt, auch andere südasiatische Länder haben sie zu adaptieren begonnen. Ein weiteres Pilotprojekt soll in Kathmandu stattfinden. Bei den anfallenden Mengen reicht das allein aber nicht.
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