Brutaler Aufklärer des Tages: Roland Koch
Von Nico Popp
Das politisch-mediale Trommelfeuer, mit dem die neoliberale »Reformpolitik« der nuller Jahre vorbereitet und begleitet wurde, zog sich über Jahre. Da steckte viel anstrengende Arbeit in der Ideologieproduktion drin, aber die zahlte sich aus: Es wurde bis hin zur »rot-roten« Landesregierung in Berlin gekürzt, gestrichen und privatisiert, dass es krachte.
2025 wirkt das im Vergleich alles ziemlich einfallslos. Vielleicht liegt es am Zeitdruck: Der bestellte »Herbst der Reformen« folgt auf ein Frühjahr, in dem der Staat im Handumdrehen Milliarden für die militärische Ertüchtigung lockermachte. Etwas misslich, klar, aber jetzt darf niemand dumme Fragen stellen: Alle müssen schnell begreifen, dass »wir« den ganzen Sozialkram schon wieder nicht mehr bezahlen können und »Einschnitte« fällig sind.
Die vertrauten Melodien locken natürlich alte Haudegen an. Nach Peer Steinbrück (»Ohne Reform geht es nicht«) ist nun Roland Koch herbeigeeilt. Der ehemalige hessische Ministerpräsident, der inzwischen eine akademische Sinekure innehat, verlangte am Mittwoch gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland volle Konzentration auf »Wirtschaftswachstum«. Tue sich da im nächsten halben Jahr nichts, müsse es »zwingend so harte Einschnitte bei den Sozialsystemen geben, dass demokratische Verwerfungen zu befürchten wären«.
Der Mann, der das schöne Wort »brutalstmögliche Aufklärung« prägte, spricht hier brutal das Programm der »Wirtschaft« aus: Kommt die nationale kapitalistische Geldvermehrung nicht zeitnah in Schwung, muss der Arbeiterklasse »zwingend« so viel Geld weggenommen werden, dass mit nennenswerter Opposition zu rechnen ist. Dass Koch gleichzeitig in aller Seelenruhe eine »niedrigere Unternehmensbesteuerung« fordert, zeigt indes, dass er nicht daran zweifelt, dass die herrschende Klasse die Lage im Griff hat. Da liegt er, das muss man leider einräumen, vorläufig nicht ganz falsch.
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