Kein Frieden in Sicht
Von Christian Selz, Kapstadt
Der kleine Hoffnungsschimmer vorweg: Nachdem die selbstgesetzten Fristen für Beginn und Abschluss von Friedensverhandlungen zwischen der Regierung der Demokratischen Republik Kongo und der Führung der Miliz »M 23« am 8. und 18. August verstrichen waren, verhandeln beide Seiten nun wieder. Doch die Erfolgsaussichten erscheinen gering. Am Montag warf Corneille Nangaa, Anführer des als Kongo-Fluss-Allianz (Alliance Fleuve Congo, AFC) firmierenden politischen Arms der »M 23«, Kinshasa »wiederholte Verletzungen des Waffenstillstands« vor. Ähnliche Anschuldigungen hatte die Regierungsseite zuvor gegen die Milizionäre erhoben. Nangaa drohte nun mit einer »angemessenen Antwort« – also neuen Gefechten.
Die »Ergebnisse« des bisherigen Verhandlungsprozesses hatte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Majed Al-Ansari, gegenüber Al-Dschasira im August so zusammengefasst: »Wir haben beide Parteien hier in Doha empfangen, um das vorherige Abkommen zu besprechen.« Mehr gibt es auf diplomatischer Ebene seit Unterzeichnung des unter Vermittlung Katars und im Beisein eines Sondergesandten der USA zustande gekommenen Waffenstillstandsabkommens im Juli nicht zu vermelden. Und es ist zweifelhaft, ob die Verhandlungsergebnisse irgendwelche Auswirkungen auf die Realität hatten. Diesen Missstand merkte auch die stellvertretende Generalsekretärin für Afrika bei den Vereinten Nationen, Martha Pobee, am 22. August vor dem UN-Sicherheitsrat an. Zwar hob sie die Wiederaufnahme von Verhandlungen für ein Friedensabkommen positiv hervor, hielt aber zugleich fest: »Die Entwicklung der Sicherheitssituation vor Ort passt nicht zu den erreichten Fortschritten auf diplomatischer Ebene.«
Das Nachrichtenportal der Vereinten Nationen, UN News, machte dafür in erster Linie »jüngste Attacken durch bewaffnete Gruppen der ›M 23‹ und der AFC« verantwortlich, konstatierte aber auch »Überfälle durch die Allied Democratic Forces«. Die dem »Islamischen Staat« zugehörige Miliz habe demnach die Todeszahlen unter Zivilisten »dramatisch erhöht«. Der Bericht kulminiert in dem Satz: »Während allgemeine Gleichgültigkeit vorherrscht, hält konfliktbezogene sexualisierte Gewalt an, ebenso wie die Zwangsrekrutierung von Kindern.« Inzwischen gelten 5,9 Millionen Menschen in der DR Kongo als Binnenflüchtlinge.
Gravierende Menschenrechtsverletzungen stellte das UN-nahe Portal The New Humanitarian in einem am 13. August veröffentlichten Bericht auch für die von der »M 23« besetzten Gebiete im Osten der DR Kongo fest. Unter Verweis auf Interviews mit Einwohnern, Recherchen vor Ort und fotografische Belege schreiben die Autoren des Nachfolgemediums der einst UN-eigenen Nachrichtenagentur IRIN von »standrechtlichen Hinrichtungen, Massenverhaftungen von Menschen, denen Verbindungen zur Armee oder mit ihr verbündeten Milizen vorgeworfen werden, Zwangsrekrutierungen und einem brutalen Durchgreifen gegen Gemeindeaktivisten«. Zudem würden Gefangene an unbekannte Orte verschleppt, ohne dass Angehörige über deren Verbleib informiert würden. Während das lokale Wirtschaftsleben in den besetzten Gebieten weitgehend kollabiert sei und die Armut sich verschlimmert habe, feierten Angehörige der Besatzungsverwaltung in einem Nachtklub in der Provinzhauptstadt Goma Partys »mit 150-Euro-Champagnerflaschen«.
Ermöglicht wird das Vorrücken der »M 23« durch die Regierung des Nachbarlands Ruanda, das auch mit eigenen Truppen in die DR Kongo einmarschiert ist. Die Unterstützung und faktische Steuerung der »M 23«, die Kigali stets abstreitet, wurden von UN-Experten mehrfach dokumentiert. Hintergrund des Konflikts sind die reichen Bodenschätze im Osten der DR Kongo, vor allem für die Kriegsindustrie wichtige seltene Erden. Deren Sicherung für US-amerikanische Interessen ist auch der Hauptantrieb für die US-Regierung, die zuletzt eine Vermittlerrolle in dem Konflikt angenommen und sich im selben Zuge Explorationsrechte für US-Konzerne gesichert hatte. Zugleich gilt Ruanda, über das ein wesentlicher Teil des Schmuggels kongolesischer Rohstoffe läuft, als langjähriger Verbündeter der USA. Zuletzt hatte Washington mit Kigali eine Vereinbarung zur Aufnahme von Deportierten aus Drittstaaten unterzeichnet.
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