Parade der Abschreckung
Von Arnold SchölzelAm 2. September 1945 kapitulierte Japan vor den Alliierten, China erklärte den 3. September zum Tag des Sieges im »Widerstandskrieg gegen Japan« und im »Weltweiten Antifaschistischen Krieg«. Der Kolonialfeldzug Japans seit 1931 kostete in China nach offizieller Schätzung rund 35 Millionen Menschen das Leben.
Am Mittwoch erinnerte die Volksrepublik an den Sieg vor 80 Jahren und erntete allein dafür im Westen gallige Kommentare. Unter den 26 Staats- und Regierungschefs, die in Beijing an den Feierlichkeiten teilnahmen, war nur einer aus einem EU-Staat: der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. Anwesend waren u. a. die Staatschefs Kubas, Russlands, Vietnams, Indonesiens, des Iran, der Demokratischen Volksrepublik Korea, der Mongolei, Zimbabwes und Serbiens. Auf den Tribünen saßen Angehörige von Menschen, die an der Seite Chinas gekämpft hatten, aus Russland, den USA, Großbritannien, Frankreich und Kanada.
Zum zweiten Mal nach 2015 beging die Volksrepublik an diesem 3. September den Jahrestag mit einer Militärparade (dpa: »China protzt mit Waffenschau«) und stellte dabei in 45 Formationen zahlreiche neue Waffensysteme vor. Eine Auswahl: Weltpremiere hatten atomwaffenfähige Raketen der land-, see- und luftgestützten strategischen Streitkräfte, darunter Hyperschallwaffen. Vorgeführt wurden unbemannte Kampfjets sowie Aufklärungs- und Angriffsdrohnen und schiffsgestützte unbemannte Hubschrauber. Westliche Beobachter hoben die »Loyal Wingmans« hervor – Drohnen, die mit Menschen besetzte Kampfjets im Einsatz unterstützen oder Aufklärungsmissionen fliegen – sowie eine neuartige Laserwaffe, die Schwärme kleinerer Drohnen oder Lenkwaffen abwehren kann. Die Zuschauer sahen unbemannte Systeme, die über und unter Wasser einsetzbar sind. Präsentiert wurden Luftverteidigungssysteme, die in der Lage sind, Raketen abzufangen und auch gegen Satelliten eingesetzt werden können. Über den Tiananmenplatz rollten neue Luftverteidigungssysteme zur elektronischen Kampfführung sowie eine neue Generation von Kampfpanzern und Langstreckartillerie. Die Luftwaffe zeigte trägergestützte Kampfflugzeuge und strategische Bomber sowie einen Tarnkappenjäger der fünften Generation. Aufmerksamkeit erregte eine Formation, deren Fahrzeuge für Cloud Computing, digitale Kommunikation, Luft-Boden-Netzwerke ausgerüstet sind. Sie können schnell neue Arten von Cybersystemen zur Unterstützung gemeinsamer Operationen aufbauen.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping eröffnete die Parade mit einem Appell für Weltfrieden und erklärte: »Heute steht die Menschheit erneut vor der Wahl zwischen Frieden und Krieg, Dialog und Konfrontation, Win-Win und Nullsummenspiel.« Vor 80 Jahren habe es sich um Chinas ersten vollständigen Sieg gegen ausländische Aggression in der Neuzeit gehandelt. Er rief die Staaten der Welt dazu auf, »die Grundursache des Krieges zu beseitigen und eine Wiederholung historischer Tragödien zu verhindern«.
Die Abschreckung wirkte. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte zum Geschehen in Beijing, »Europa« müsse »geopolitische Macht aufbauen«, es befinde sich »in einem Kampf um die Freiheit«. US-Präsident Donald Trump schrieb per Internetplattform Truth Social an Xi: »Bitte richten Sie meine herzlichsten Grüße an Wladimir Putin und Kim Jong Un aus, während Sie gegen die Vereinigten Staaten von Amerika konspirieren.«
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