Maaßen in der Opferrolle
Von Kristian Stemmler
Was sich in der erst vor eineinhalb Jahren als Partei gegründeten Werteunion abspielt, ist offenbar mit »Hauen und Stechen« noch zurückhaltend umschrieben. Im Zentrum heftiger Querelen steht der Parteivorsitzende Hans-Georg Maaßen, einst Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, als solcher wegen rechter Ausfälle im September 2018 geschasst und im Januar 2024 aus der CDU ausgeschlossen. Am Dienstag vergangener Woche rechnete Maaßen in einer Videokonferenz mit seinen Kontrahenten im Vorstand ab, sprach von einem »Putsch« gegen seine Person und drohte mit Rückzug von seinem Posten, wie T-online am vergangenen Mittwoch berichtete.
Schon die Umstände der Videokonferenz mit dem Bundesvorstand und den Landesvorsitzenden der Kleinpartei waren ungewöhnlich. Einem Bericht von Welt vom Montag zufolge ließ Maaßen gleich zu Beginn alle anderen Teilnehmer der Konferenz stummschalten und las ein vorbereitetes Statement vor. »Ich weiß nicht, ob ich in zwei oder drei Wochen noch der Partei angehören werde«, erklärte der Parteichef demnach. Er sei nicht bereit, »als Galionsfigur oder Frühstücksdirektor die Verantwortung zu übernehmen für die Partei und für Schmutzeleien hinter meinem Rücken«. Maaßen beklagte einen »Putsch und eine Machtübernahme von Leuten, die ihre Mitgliedschaft und ihre Funktion mir verdanken«.
Der Parteivorsitzende erklärte, von Anhängern seiner Kritiker habe es »Tötungsphantasien und Nötigungen« gegeben. Der Hintergrund dieses Vorwurfs ist nach Informationen der Welt ein privater Chat zwischen Maaßen und einem Parteimitglied, das ihm Führungsversagen vorgeworfen hatte. Wörtlich hieß es demnach in dem Chat: »Sie haben Zeit bis morgen um zehn Uhr, sonst werde ich Ihr persönliches Ende besiegeln.«
Maaßens Putsch-Vorwurf richtet sich nach Darstellung von T-online vor allem gegen Sylvia Pantel, eine frühere CDU-Bundestagsabgeordnete, zu deren Lager auch der frühere AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen gehört. Pantel und Meuthen sind erst Monate nach der Parteigründung eingetreten, stiegen aber dank ihrer politischen Erfahrung schnell zu Stellvertretern des Parteichefs auf. Im elfköpfigen Bundesvorstand haben sie inzwischen offenbar das Sagen. Maaßen habe dort lediglich vier Vorstandsmitglieder an seiner Seite, wie das Springer-Blatt berichtete.
Von seiten seiner Kritiker in der Parteispitze werde dem früheren Chef des Inlandsgeheimdienstes unter anderem ein »Alleinherrschaftsanspruch« vorgeworfen. Maaßen erwarte »kompletten Kadavergehorsam« und betrachte Kritiker als Feinde. Ein namentlich nicht genanntes Vorstandsmitglied habe gegenüber Welt gesagt, der Parteichef könne nicht mit Widerspruch umgehen und wittere »überall Verschwörungen«.
Inhaltlich geht es bei dem Konflikt vor allem um den Umgang mit der AfD. Maaßen hatte sich in den vergangenen Jahren mehrmals mit der AfD-Chefin Alice Weidel getroffen. Im Juli 2025 nahm er auf Einladung der Berliner AfD-Fraktion an einer Pressekonferenz teil. In der Videokonferenz am Dienstag vergangener Woche distanzierte sich der Parteichef allerdings deutlich von der AfD. Sie sei keine Alternative, sagte er. Die von ihr präsentierten Lösungsvorschläge seien »vielfach nicht freiheitlich und nicht konservativ, sondern rechts«, wird Maaßen zitiert. Gegenüber Welt wies der Jurist und Politiker alle Vorwürfe »entschieden zurück«. Er sei immer wieder »um Ausgleich bemüht«. Da eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Vorstand aber nicht mehr möglich sei, fordere er einen Sonderparteitag, auf dem eine neue Spitze gewählt wird.
Nur eineinhalb Jahre nach Gründung steht die Partei, die aus einem gleichnamigen Verein von rechten CDU/CSU-Mitgliedern entstanden war, vor einem Scherbenhaufen. Der Plan, in die Lücke zwischen der Union und der AfD zu stoßen, ist gescheitert. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg erzielte die Werteunion im vergangenen Jahr gerade einmal zwischen 0,3 und 0,6 Prozent. Bei der Bundestagswahl in diesem Jahr trat sie nur in Nordrhein-Westfalen an. 6.736 Wahlberechtigte (0,1 Prozent) setzten bei ihr das Kreuz.
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