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Aus: Ausgabe vom 03.09.2025, Seite 15 / Antifaschismus
»March for Australia«

Chauvinismus mobilisiert

Australien: Tausende Teilnehmer bei landesweiten Aufmärschen gegen »illegale Masseneinwanderung«. Demagogen setzen auf Verteilungskämpfe
Von Marc Bebenroth
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Ablehnung trifft auf Amüsement: Polizistinnen stehen zwischen dem Aufmarsch und dem Protest (Brisbane, 31.8.2025)

Die Welle nationalistischer Aufmärsche gegen »illegale Masseneinwanderung« hat auch andere Commonwealth-Staaten erreicht. Am Sonntag haben Tausende in mehreren Städten Australiens gegen das protestiert, was ihnen rechte Demagogen als das angeblich größte Problem ihrer Gesellschaft präsentieren. Aufgerufen hatte der Zusammenschluss »March for Australia«. »Masseneinwanderung hat das Band zerrissen, das unsere Gemeinschaften zusammengehalten hat«, heißt es auf dessen Internetseite. Allein in der Metropole Sydney nahmen nach Angaben von Reuters am Sonntag zwischen 5.000 und 8.000 Menschen an dem dortigen Marsch teil.

Die materielle Grundlage für den an diesem Tag landesweit zur Schau gestellten »Australier zuerst«-Chauvinismus sind Verteilungskämpfe. »March for Australia« gibt an, dass man sich auch Sorgen um Löhne, Verkehr, Wohnraum und Wasserversorgung, Umweltzerstörung, Infrastruktur sowie Krankenhäuser mache. »Solange es nicht genügend Wohnraum und Ressourcen gibt, sollten wir meiner Meinung nach die Migration drosseln und dann als Erwachsene eine nationale Debatte über die weitere Entwicklung der Migrationszahlen führen«, sagte ein südaustralischer Veranstalter gegenüber ABC.

Trotz erkennbarer Verbindungen in die faschistische Szene ist »March for Australia« darum bemüht, sich von dieser zu distanzieren. Zu fordern, was im Grunde auf das neurechte Deportationskonzept einer »Remigration« hinausläuft, sei nicht »extrem rechts«, schreibt die Gruppe auf Facebook. Es handle sich um »die populäre Mainstreammeinung, die zu lange zum Schweigen gebracht wurde« von Profiteuren eines Systems, das unter anderem den Mangel an Wohnraum und sicheren Arbeitsplätzen sowie den Rückgang der Produktivität, den ökologischen Verfall und die sinkenden Lebensstandards vorantreibe.

Zuletzt hatten im Vereinigten Königreich landesweit zahlreiche Menschen an Aufmärschen gegen Asylsuchende teilgenommen und eine bevorzugte Behandlung für britische Bürger bei der Versorgung mit grundlegenden Gütern und Dienstleistungen gefordert. Und wie in Großbritannien arbeiten auch in Australien Reaktionäre sowie Faschisten aktiv daran, fester Bestandteil der Strukturen hinter den Aufmärschen zu sein – mit Erfolg. So konnte beispielsweise der Kopf des »National Socialist Network«, der 1993 in Neuseeland geborene Neonazi Thomas Sewell, beim Aufmarsch in Melbourne die De-facto-Hauptrede halten, wie die Tageszeitung The Age am Sonntag online berichtete.

Demnach habe der für seine Verehrung von Adolf Hitler, den Nazis im Allgemeinen und einer »Weißen Vorherrschaft« bekannte Faschist seine Rhetorik gedämpft. Sätze wie »wenn du gegen Leute kämpfst, die dieses Land hassen, musst du manchmal lernen, neue Freunde machen« seien von den Anwesenden laut gutiert worden. »Wir sind heute hier, um unsere kleinen Differenzen über historische Ereignisse oder ideologische Ansichten beiseite zu lassen. Wir sind hier als Australier, stolz, aufrichtig«, wird der Neonazi weiter zitiert. Sewell wurde noch am Sonntag außerhalb des Gerichtsgebäudes in Melbourne verhaftet, weil er an einem Angriff auf das Camp Sovereignty beteiligt gewesen sein soll. Vor dem Aufmarschbeginn attackierte eine Gruppe rechter Schläger, mit Stangen und Ästen bewaffnet, die indigene Stätte, wie ABC berichtete.

Vielerorts konnte Protest gegen die Aufmärsche mobilisiert werden. Die Staatsgewalt agierte zumindest mancherorts eher hilflos. Aufnahmen aus Melbourne, die Reuters am Sonntag veröffentlichte, zeigen, wie ein Polizist den Hunderten aggressiv auftretenden Nationalisten mit Pfefferspray beizukommen versuchte, während diese wiederum einen Passanten bzw. Demonstranten zu Boden werfen und auf die Person eintreten.

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