Rickelt, Hallervorden, Schmutzer, Ticha
Von Jegor Jublimov
Gerhard Lamprecht, Arnold Fanck, Wolfgang Staudte, Helmut Käutner, Michael Kehlmann – eine Liste wegweisender Regisseure des deutschsprachigen Films, bei denen Martin Rickelt in seiner Karriere zwischen 1931 und 2004 kleine und mittlere Rollen übernahm. Doch berühmt wurde er erst, als ihn Hans W. Geißendörfer 1987 in der »Lindenstraße« als Mutter Beimers etwas lästigen Onkel Franz, der im Laufe der Handlung extrem rechte Verhaltensweisen an den Tag legte, einsetzte. Der am 2. September vor 110 Jahren geborene Berliner wuchs (noch als Martin Baumann) im linksliberalen Geist auf. Sein Vater Gustav Rickelt war von 1914 bis 1927 Präsident der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, und auch Sohn Martin trat im baden-württembergischen DGB in seine Fußstapfen, als er 1960 ein langjähriges Theaterengagement in Karlsruhe übernahm. Dass mit seiner TV-Serienfigur die Gefahr der extremen Rechten thematisiert werden konnte, war dem Sympathisanten der Grünen, der 2004 starb, ein wichtiges Anliegen.
Ein anderer Publikumsliebling war nicht nur Blödelkomiker, sondern hat auch politische Gedanken, was man zuerst sah, als Dieter Hallervorden 1960 mit 25 Jahren das Kabarett »Die Wühlmäuse« in Westberlin gründete. Regisseur Ralf Gregan holte ihn 1969 als Partner von Liselotte Pulver zum Film, und ab 1972 wurde er in TV-Show-Reihen wie »Abramakabra« und »Non-Stop Nonsens« mit Partnerinnen wie Helga Feddersen und Rotraud Schindler weithin populär, so dass auch eine Kinofilmserie mit ihm als »Didi« ein Kassenknüller wurde.
Politisch pocht Hallervorden, inzwischen Direktor von Häusern in Berlin-Steglitz und Dessau, auf seine Unabhängigkeit. Der DDR, wo er Romanistik studiert hatte, musste er nach eigener Aussage den Rücken kehren, nachdem er sich als Dolmetscher bei offiziellen Anlässen den einen oder anderen Jux erlaubt hatte. Dann geisterten ihm Pläne durch den Kopf, Walter Ulbricht zu erschießen. In Westberlin engagierte er sich als Liberaler für die FDP und bot zuletzt in seinem Theater CDU-Wahlkämpfer Kai Wegner ein Podium, der prompt Regierender Bürgermeister wurde. Der neueste Coup des Multitalents, das am Freitag seinen 90. Geburtstag in der Hauptrolle des von ihm übersetzten Molière-Stücks »Der eingebildet Kranke« im Schlosspark-Theater feiern wird, ist ein Auftritt auf einer Friedensdemonstration am 13. September in Berlin neben Sahra Wagenknecht und Gabriele Krone-Schmalz, auf der er Lenin zu zitieren gedenkt. Wird »Didi« im letzten Fünftel seines Lebens doch noch weise?
Ein Produzent, der aus der DDR stammt und bekennender Linker ist, muss einen Rückschlag hinnehmen. Klaus Schmutzer, der am Freitag 75 Jahre alt wird, ist von einer Senatsverwaltung aus dem Stiftungsrat der Defa-Stiftung gekickt worden. Im Zeichen neuer Liberalität, bei der Kompetenz keine Rolle spielt, ist er von einer Frau ersetzt worden. Der Mitbegründer des Neubrandenburger Filmfestivals, das mittlerweile unter dem Namen »Dokumentart« firmiert, und seit 1991 Produzent der »Kinder von Golzow« konzentriert sich nun auf seine anderen Aufgaben, beispielsweise im Filmförderkreis Berlin-Brandenburg, und kuratiert eine Filmreihe in Berlin, die er mit seinem vielfach ausgezeichneten Film »Po-lin« (Jolanta Dylewska, 2008) beginnen wird.
Auch wenn der großartige Grafiker Hans Ticha schon am 2. September 85 Jahre alt wurde, ist seine Geburtstagsretrospektive erst für Mitte Dezember in der Kunsthalle Rostock geplant. Diesmal kommen besonders die Gemälde des Pop-Art-Künstlers zu ihrem Recht. Fürs »Schönste Buch der DDR« erhielt er 25 Auszeichnungen und arbeitete auch für den Verlag Junge Welt.
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