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Aus: Ausgabe vom 03.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Geld- und Fiskalpolitik

Pensionskassen mit Negativzinsen

Schweiz: Großbanken UBS und ZKB erheben Gebühren für eigene Liquidität – und für den Ernstfall
Von Dominic Iten
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Der Schweizerischen Nationalbank zufolge sollte es keine Negativzinsen geben

Die Angst vor Negativzinsen geht wieder um. Auch wenn der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Martin Schlegel, kürzlich beschwichtigte und meinte, man werde »eine Entscheidung für negative Zinsen nicht leichtfertig treffen«. Nachdem die jährliche Inflationsrate im Mai auf 0,1 Prozent gesunken war, hatte die SNB den Leitzins Mitte Juni zum sechsten Mal in Folge gesenkt – damit liegt er nun bei null.

Händler reduzierten ihre Wetten auf weitere Zinssenkungen der Financial Times zufolge leicht. Doch immer noch schätzen sie die Wahrscheinlichkeit von Negativzinsen bis März kommenden Jahres auf rund 40 Prozent, hieß es am Wochenende. Auch die für Zinserwartungen empfindlichen Staatsanleihen stiegen um 0,1 Prozentpunkte auf minus 0,09 Prozent.

Das ohnehin schwierige Währungsumfeld der SNB hat sich mit den 39prozentigen Zöllen der USA zusätzlich verkompliziert. Vor wenigen Tagen meinte SNB-Vizepräsident Antoine Martin, zu den größten Herausforderungen gehörten die US-Zölle, der schwache US-Dollar, Deflationsrisiken sowie die Stabilität des Schweizer Bankensystems – eine Stabilität, die zuletzt mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS deutlich abgenommen hat.

Seit Einführung der Nullzinsen erhalten Geschäftsbanken wie die UBS keine Zinsen mehr auf ihre Einlagen bei der SNB. Daniel Kalt, Chefökonom bei der UBS, betont, »was den Druck auf die Nettozinsmargen« angehe, könnte es »nicht schlimmer sein als in der aktuellen Situation« – es fehle im Gegensatz zur Phase der Negativzinsen an einer Rechtfertigung, die ausfallenden Zinsmargen den eigenen Kunden in Rechnung zu stellen.

Anscheinend tut die UBS es trotzdem: Ende Juni teilte sie ihren institutionellen Kunden, in erster Linie Pensionskassen und Versicherungen, mit, dass ihre Transaktionskonten künftig mit minus 0,2 Prozent verzinst werden. Nur wenig später zog die Zürcher Kantonalbank (ZKB) nach und informierte die größeren Vermögensverwalter über die Wiedereinführung von Negativzinsen von minus 0,25 Prozent.

Das sorgte für Unmut – doch seit dem Fall der Credit Suisse dominieren die UBS und die ZKB den Markt für institutionelle Kunden, es fehlt an Ausweichmöglichkeiten. Auf den Konten der UBS liegt inzwischen etwa die Hälfte des gesamten Pensionskassenvermögens, was rund 600 Milliarden Franken (rund 640 Milliarden Euro) entspricht – eine Quasimonopolstellung, welche die Durchsetzung von Negativzinsen ohne größere Widerstände erlaubt.

Weil Pensionskassen auf eine gewisse Liquidität zur Auszahlung von Renten angewiesen sind, bleiben ihre Optionen begrenzt. Thomas Breitenmoser von der Beratungsfirma Complementa warnte in der Neuen Zürcher Zeitung am Sonnabend, was heute als Zusatzkosten für Liquidität beginne, könne sich bereits morgen auf die Versicherten auswirken. In anderen Worten: Der Druck auf die Renten steigt. Die SNB senkt den Leitzins, die Geschäftsbanken und die Pensionskosten reichen die Kosten nach unten weiter.

Passend dazu werden auch die Zinsen auf den Sparkonten der Kleinsparer gesenkt. Die ZKB hat im vergangenen November die Limite für verzinste Guthaben von 250.000 auf 25.000 Franken herabgesetzt. Andreas Akermann von der Handelsplattform VZ empfiehlt, in »schwierigen Zeiten« wie diesen auf »Investitionen in Unternehmen« zu setzen. Doch Aktienmärkte sind volatil und verlangen Wissen, Zeit und Diversifikation.

Das passt schlecht zu kleinen Beträgen, kurzen Anlagehorizonten und einem hohen Sicherheitsbedürfnis. So stecken Kleinsparer zwischen ertragslosen Konten und riskanten Anlagen fest, Rentnern droht eine Rentenkürzung. Tief- und Negativzinsen treffen nicht die Geschäftsbanken und Vermögensverwalter, sondern kleine Anleger mit Sparkonto.

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