Nachfolger gesucht
Von Thomas Berger
Wie schnell erhält das Land eine neue Regierung – und wie lange bleibt die dann im Amt? Das sind die Fragen, die in Thailand derzeit im Raum stehen. Die endgültige Absetzung von Premierministerin Paetongtarn Shinawatra durch das Verfassungsgericht am Freitag hat das südostasiatische Königreich abermals in eine schwere politische Krise gestürzt. Vizepremier Phumtham Wechayachai, der schon seit Paetongtarns vorläufiger Suspendierung am 1. Juli zwei Monate geschäftsführend die Leitungsposition innehat, ist sozusagen eine lahme Ente. Alles am Laufen halten, bis ein regulärer Nachfolger das Steuer übernimmt, mehr darf er nicht. Denn auch die gesamte Ministerriege ist formell schon entlassen und lediglich bis zur Formierung einer neuen Regierung im Amt – für die Bildung einer solchen gibt es jedoch keine Zeitbegrenzung.
Das hintergründige In-Stellung-Bringen und Feilschen um Unterstützung, das in den letzten Wochen bereits erfolgte, geht mit der Entscheidung der Verfassungshüter nun in einen offenen Machtkampf über. Wie es mit Beginn der neuen Woche aussieht, gibt es zwei ernsthafte Aspiranten auf den vakanten Chefposten. Die bisher die Regierungskoalition anführende Pheu Thai Party (PT), die weiter stark von der Shinawatra-Familie der abgesetzten Paetongtarn und ihres Vaters Thaksin beeinflusst wird, will als zweitstärkste Kraft im Parlament unbedingt erneut die Leitungsposition besetzen. Nachdem das Gericht vor einem Jahr schon ihren Vorgänger Srettha Thavisin in gleicher Weise vom Platz des Regierungschefs entfernt hatte, bleibt der PT nur ein letztes As im Ärmel. Denn Premier werden darf verfassungsrechtlich nur, wer vor der Wahl von einer Partei als möglicher Kandidat dafür nominiert worden ist. Übrig aus dem Trio von Namen der PT-Liste ist somit lediglich Chaikasem Nitisiri. Der 77jährige ist früherer Generalstaatsanwalt und war vor dem jüngsten Putsch 2014 rund ein Jahr lang Justizminister. Im Wahlkampf hatte er einen Schlaganfall erlitten, galt noch vor einem Jahr nach der Entlassung Sretthas als gesundheitlich zu stark angeschlagen. Inzwischen, so stellte er zumindest selbst dar, hat sich sein Zustand offenbar deutlich gebessert, so dass er sich fit für die anstrengende Aufgabe fühle, heißt es gemeinhin. Eine Sondersitzung des Parlaments ist ab Mittwoch angesetzt.
Lediglich sieben Stimmen Mehrheit hatte die Regierungskoalition zuletzt. Der zuvor wichtigste PT-Partner – die konservative Bhumjaithai Party – hatte sich im wieder eskalierten Grenzkonflikt mit Kambodscha unmittelbar nach dem geleakten Telefonat zwischen Paetongtarn und dem kambodschanischen Exlangzeitpremier Hun Sen aus dem Kabinett verabschiedet. Parteichef Anutin Charnvirakul, bis dahin Vizepremier und Innenminister, würde nur zu gern zum nächsten Karrieresprung ansetzen. Dafür könnte nun der passende Moment gekommen sein.
Beide, PT wie die nun oppositionelle Bhumjaithai, umgarnen gerade die Volkspartei (PP). Nachfolgerin der gerichtlich aufgelösten Wahlsiegerin von 2023 ist die PP Oppositionsführerin und mit rund einem Drittel der Mandate größte Einzelkraft im Parlament – ihre Stimmen könnten als Königsmacher entscheidend sein. Die PP hat schon erklärt, in keine Koalition eintreten zu wollen. Dennoch ist sie zu einer Vereinbarung bereit. Klare Bedingung: Binnen maximal vier Monaten soll das Parlament aufgelöst werden, um den Weg für Neuwahlen freizumachen, bei denen die linksliberale Kraft abermals Aussicht auf den ersten Platz hätte – laut jüngster Umfrage des NIDA-Instituts von Ende Juni lag sie bei 46 Prozent. Auch der Weg zu einer neuen Verfassung soll eingeleitet werden. Am Montag verlautete, sowohl die PT-geführte Platzhalterregierung als auch Anutin seien dazu bereit. Gegen Chaikasems Nominierung regt sich derweil Widerstand: Am Sonntag gab es am Victory Monument, einem der prominentesten Plätze Bangkoks, eine Protestkundgebung gegen eine neue führende Rolle für die PT. Die Popularität der Partei ist laut NIDA-Umfrage zuletzt auch messbar stark zurückgegangen.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Chalinee Thirasupa/REUTERS23.08.2025
Etappensieg für Familie Shinawatra
- ZUMA Press Wire/IMAGO29.07.2025
Waffenruhe vereinbart
- IMAGO/Anadolu Agency25.07.2025
Grenzkonflikt eskaliert
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Vorhersehbare Katastrophe
vom 02.09.2025 -
»Eine Versöhnung wurde nie zugelassen«
vom 02.09.2025 -
Gegen westliche Dominanz
vom 02.09.2025 -
Geschäft mit Völkermord
vom 02.09.2025 -
Jubel vor dem Sturm
vom 02.09.2025 -
Ikone im Visier
vom 02.09.2025 -
»Sie betrachten Frauen und Kinder als Kriegsbeute«
vom 02.09.2025