Risiko Cybergrooming
Von Florian Osuch
Ende August veröffentliche das Bundeskriminalamt ihr »Bundeslagebild zu Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche«. Demnach ist im Jahr 2024 die Zahl polizeilich registrierter Straftaten sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen nach jahrelangem Anstieg nahezu konstant geblieben. Mit 16.354 Fällen bei Kindern sowie 1.191 Fällen bei Jugendlichen bewegten sich die Zahlen aber weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt, so BKA-Präsident Holger Münch. Seine Behörde gehe »gemeinsam mit den Polizeien der Länder regelmäßig gegen Betreiber von Plattformen im sogenannten Darknet« vor. Oftmals finden Belästigung und sexualisierte Gewalt jedoch in frei zugänglichen Bereichen des Internets statt. Kerstin Claus, Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, verwies auf einer Bundespressekonferenz auf das gestiegene hohe Grundrisiko in der digitalen Welt. »Im Netz explodiert das Risiko sexualisierter Gewalt.« Über Messengerdienste, Spieleplattformen oder Social-Media sei es für Täter »noch nie so leicht gewesen«, Kinder zu erreichen. Kinder und Jugendliche hätten »ein Recht auf ein sicheres Aufwachsen – offline wie online.«
Das BKA verweist insbesondere auf das sogenannte Cybergrooming. Dabei nehmen Täter im Internet Kontakt zu Minderjährigen auf, »mit dem Ziel, deren Vertrauen zu gewinnen, diese zu manipulieren und sexuelle Handlungen anzubahnen«. Ist das Vertrauen einmal erschlichen, senden Kinder und Jugendliche selbstgefertigte Aufnahme sexueller Handlungen unbedacht weiter. In vielen Fällen sind die Täter selbst jung. Laut BKA sei der Anteil der Minderjährigen und jungen Erwachsenen (bis 24 Jahre) »an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen anhaltend hoch«.
Eine mögliche Folge des Cybergrooming ist sogenannte Sextortion. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern Sex und Extortion (Erpressung) zusammen. Täter drohen mit Veröffentlichung sensibler Informationen, Bilder und Videos und verlangen entweder finanzielle Zahlungen oder – wie im »764«-Kontext – weitere Missbrauchsaufnahmen oder andere Handlungen.
Zuletzt rückte die Spieleplattform »Roblox« in die Kritik. In den USA liegen bereits Klagen gegen den Betreiber vor, weil es durch Kontaktaufnahmen über »Roblox« zu Fällen sexualisierter Gewalt kam. Laut Tagesschau prüfe eine Kanzlei in Chicago, die die Mutter eines betroffenen Mädchens vertritt, 300 weitere Fälle sexueller Belästigung bei »Roblox«. Die Plattform sei laut Anwalt ein »Zufluchtsort, ein Spielplatz für Sexualstraftäter«.
Auch hierzulande wird »Roblox« unter anderem wegen kaum eingeschränkter oder unmoderierter Kontaktmöglichkeit der Nutzer sowie nichtaltersgerechter Inhalte kritisiert. Martin Fischer vom Deutschen Kinderhilfswerk konkretisierte gegenüber Deutschlandfunk, »Roblox« weise »im Vergleich zu ähnlichen Plattformen nur ein schwaches Risikomanagement und unzureichende Vorsorgemaßnahmen« auf.
Laut eigenen Angaben verzeichnet »Roblox« täglich knapp 98 Millionen aktive Nutzer. Diese Zahl stieg insbesondere durch die Covid-Pandemie stark an. Besonders beliebt ist »Roblox« bei Kindern. In der Altersgruppe unter 13 Jahren ist der Dienst verbreiteter als andere Plattformen wie Youtube oder Netflix. Auf »Roblox« können Anwender aller Altersgruppen eigene Spiele erstellen und mit Dritten teilen, auch gegen Bezahlung in der eigenen Währung »Robux«. Im vergangenen Quartal erzielte das Unternehmen laut Tagesschau einen Umsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar.
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